Ägypten

Gefährliches Paradies

Pessach-Urlaub auf dem Sinai! Wo allein der Blick in die Weite zur Meditation wird. Wo die Kissen am Strand so weich sind, dass die Dauerbelastung, die man mit sich schleppt, einfach von einem abfällt. Wo sich das Blau des Meeres mit dem Gelb des Sandes aufs Schönste vereint und die totale Entspannung möglich ist. Einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Und trotz der angespannten Lage ist die Grenze weiterhin offen.

2019 überquerten laut der Nachrichtenagentur AP, die sich auf die israelische Flughafenbehörde bezieht, 1,4 Millionen Israelis mit Bus oder Auto den Grenzübergang Taba außerhalb der israelischen Stadt Eilat nach Ägypten. Der Übergang wird auf israelischer Seite von der Flughafenbehörde kontrolliert, und es ist der südlichste Punkt des Landes, das dort an den Sinai grenzt. 2019 sollen allein zu Pessach mehr als 110.000 Israelis nach Ägypten gereist sein, heißt es. 2020 brachen die Zahlen ein, wegen der Pandemie. Doch immer gab es Israelis, die sich nicht beirren ließen, die es trotz Extrakosten und -wartezeiten für Covid-Tests in den Sinai zog. Zu Pessach 2023 sollen es rund 200.000 gewesen sein.

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Es ist natürlich paradox, dass ausgerechnet zu Pessach – dem Fest, das der Befreiung des Volkes Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten gedenkt, bevor Moses es 40 Jahre lang durch die Wüste nach Kanaan führte – Israelis seit Jahrzehnten vom Urlaub in Ägypten träumen. Aber so ist es, viele Israelis lieben den Sinai, sicherlich auch wegen des gleichnamigen Berges, wo Moses gemäß den Schriften die Zehn Gebote von Gott erhielt. Dieser Berg gilt vielen als heilige Stätte. Aber eben auch die Strände haben viele Fans.

Israel hat für Reisen nach Ägypten die höchste Warnstufe ausgegeben.

Nach der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 kam es zwischen Israel und Ägypten regelmäßig zu Auseinandersetzungen und Kriegen. Im Sechstagekrieg 1967, als Ägypten plötzlich 1000 Panzer und 100.000 Soldaten an die Grenze schickte und Israel sich zum Präventivschlag entschied, eroberte der jüdische Staat die ägyptische Sinai-Halbinsel.

1973 überfielen Ägypten und Syrien mit Unterstützung anderer arabischer Staaten Israel am höchsten Feiertag Jom Kippur. Israel war siegreich, gab 1979 um des Friedens willens den Sinai an Ägypten zurück, das im Gegenzug Israel offiziell als Staat anerkannte. Israels Premier Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar el-Sadat unterzeichneten einen Friedensvertrag. Experten sprechen bis heute von einem »kalten Frieden«.

Mit dem verheerenden Angriff der Hamas aus dem Gazastreifen auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 wurde er noch kälter. Israel warf Ägypten, das neben Israel als einziges Land einen Grenzübergang nach Gaza hat, vor, durch Waffenschmuggel das Erstarken der Terroristen ermöglicht zu haben. Ägypten will unbedingt eine Massenflucht von Palästinensern auf die Sinai-Halbinsel verhindern, tritt als Mediator auf und streitet sich mit Israel um den Philadelphi-Korridor. Auch eineinhalb Jahre nach dem 7. Oktober ist die Lage angespannt. Israel hat für Reisen nach Ägypten die höchste Warnstufe ausgegeben, Verbote ausgesprochen. Doch es gibt Israelis, die es weiterhin auf den Sinai zieht.

»Krieg ist die eine Sache, Menschen sind die andere«

Israels Behörden liefern dazu trotz mehrfacher Anfrage keine aktuellen Zahlen. In einem Bericht der »Jerusalem Post« ist von 50.000 Urlaubern seit Jahresbeginn die Rede, allerdings ohne Hinweis auf deren Nationalität. Ägypten wiederum legt umfassendere Zahlen vor. Amr El-Kady war bis vor Kurzem und zum Zeitpunkt des Interviews mit der Jüdischen Allgemeinen Chef der ägyptischen Tourismusbehörde. »2024 haben zwischen 280.000 und 300.000 Israelis die Grenze in Taba überquert«, sagt er.

Auch ein Hinweis auf die Sicherheitslage ließ ihn unberührt: »Unsere Grenzen sind immer offen, und wir heißen jeden willkommen. Krieg ist die eine Sache, Menschen sind die andere.« Schließlich betonte er voller Stolz: »Wir müssen unsere Gäste beschützen, das ist unsere Pflicht und unsere DNA.« Nach einem weiteren Hinweis auf die angespannte politische Lage sagt El-Kady, dass Ägypten immer ein Vermittler gewesen sei. »In den Konflikten, die gelegentlich auftreten, konzentrieren wir uns auf zwei Dinge: Wir vermitteln in Friedensverhandlungen und leisten Hilfe für die Menschen.« 2024 seien 300.000 Israelis auf den Sinai gekommen, wiederholt Amr El-Kady. Sie hätten sich sogar mitten im Krieg unter die Ägypter gemischt, und es habe keinen einzigen Vorfall gegeben.

Medienberichten zufolge gab es nach dem 7. Oktober 2023 mindestens zwei Vorfälle in Ägypten. Einen am 8. Oktober 2023, als zwei israelische Touristen mit einem ägyptischen Reiseführer in Alexandria von einem Polizisten erschossen wurden. Es ist allerdings bis heute unklar, ob es einen Zusammenhang mit dem Hamas-Angriff gab. Bei einem zweiten Vorfall, am 29. August 2024 in Taba, soll ein Tourist aus Israel einen ägyptischen Hotelmitarbeiter beleidigt haben, woraufhin es zu einer Schlägerei kam, mit am Ende drei verletzten Israelis und zwei Ägyptern.

»Wir müssen unsere Gäste beschützen, das ist unsere Pflicht und unsere DNA.«

Tourismus-Chef Amr El-Kady

Für die Wirtschaft Ägyptens ist der Tourismus eine der wichtigsten Einnahmequellen. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, und das Land war zuletzt immer wieder auf Finanzspritzen aus dem Ausland angewiesen. 2024, so die offiziellen ägyptischen Zahlen, wurden 15,78 Millionen Touristen beherbergt. Dieses Jahr will man 16,8 Millionen Gäste ins Land locken, und bereits 2030 sollen es 30 Millionen werden. Das Land hat große Pläne. Ägypten investiert in neue Hotels, ein modernes Schienennetz, und diesen Sommer soll auch endlich das »Grand Egyptian Museum«, das größte archäologische Museum der Welt, eröffnen.

Doch israelische Touristen sind nicht allen Ägyptern willkommen. Die Ablehnung innerhalb der Bevölkerung ist hoch: Im Juli 2022 bewerteten laut dem »Washington Institute for Near East Policy« nur 13 Prozent der Ägypter die in US-Präsident Donald Trumps erster Amtszeit geschlossenen Abraham-Abkommen, welche Friedensverträge zwischen Israel und Ländern wie Marokko und den Vereinigten Arabischen Emiraten ermöglichten, positiv. Ende 2023 stimmten laut einer weiteren Umfrage des Instituts nur acht Prozent der Aussage zu, dass Menschen, die »geschäftlich oder sportlich Kontakt mit Israelis« haben wollen, dies auch tun dürften.

Werden Israelis wieder in großer Zahl wie vor dem 7. Oktober 2023 auf dem Sinai willkommen sein? Irgendwann wahrscheinlich schon. Am Ende aber wohl weniger, weil die ägyptische Bevölkerung sich das wünscht, sondern eher, weil man sie aus wirtschaftlichen Gründen braucht.

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