Robert F. Kennedy trägt einen berühmten Namen. Er ist der »Junior« des gleichnamigen Justizministers, der wie dessen Bruder und Präsident John F. einem politischen Mordanschlag zum Opfer fiel. Außer dem Namen verbindet den jungen Kennedy wenig mit den charismatischen Verwandten. Schon gar nicht sein Hang zu Verschwörungsmythen, die ihn nun zu einem Star unter den amerikanischen »Anti-Vaxxern« macht.
Als solcher trat er am Wochenende vor Impfgegnern auf der National Mall in Washington auf. In seiner Rede verstieg er sich zu einem Holocaust-Vergleich, der ihm massiven Ärger eintragen sollte: Kennedy insinuierte, Menschen, die sich in den USA nicht impfen lassen wollten, gehe es heute schlechter als Anne Frank. Das jüdische Mädchen versteckte sich zwei Jahre mit ihrer Familie in einem Hinterhaus in Amsterdam vor den Nazis. Nach ihrer Entdeckung im August 1944 wurden fast alle Familienmitglieder in Konzentrationslagern umgebracht.
anne frank »Selbst in Hitlers Deutschland konnten Sie über die Alpen in die Schweiz fliegen«, sagte Kennedy. »Sie konnten sich auf dem Speicher verstecken, wie es Anne Frank tat.« In den USA gebe es dagegen viel weniger Möglichkeiten, einer Verfolgung zu entkommen.
Das Holocaust-Museum in Washington hatte die Äußerungen als »rücksichtslos« und »beleidigend« bezeichnet. Es sei fragwürdig, die Ermordung von sechs Millionen Juden »leichtfertig mit einer politischen Agenda zu vergleichen«. Sarah Weiss vom Holocaust and Humanity Center in Cincinati mahnte, Kennedy täte gut daran, »die Geschichte zu studieren, bevor er solche Vergleiche anstellt«. Letztlich verharmlosten Impfgegner den staatlich organisierten Massenmord an den Juden durch falsche Holocaust-Vergleiche. Dies sei im Kern antisemitisch.
Auch auf Fox, dem Haussender von Ex-Präsident Donald Trump, sind entsprechende Äußerungen zu hören.
Kennedy entschuldigte sich inzwischen für die Äußerung. Seine Absicht sei es gewesen, »Beispiele vergangener Barbarei zu verwenden, um die Gefahren neuer Kontrolltechnologien aufzuzeigen«, schrieb er auf seinem Twitter-Account. Doch betrifft das Problem längst nicht ihn allein. Er gehört zu einer ganzen Phalanx an Politikern, die solche Vergleiche anstellen. Auch auf Fox, dem Haussender von Ex-Präsident Donald Trump, sind entsprechende Äußerungen zu hören.
So twitterte der republikanische US-Kongressabgeordnete Warren Davidson Mitte Januar eine »aufrichtige Entschuldigung« an seine »jüdischen Freunde«. Seine Nazi-Vergleiche in früheren Postings löschte er derweil nicht: »Das ist schon mal so gemacht worden. #DoNotComply«. Mit diesen Worten hatte sich Davidson beschwert, dass in Washington etwa bei Restaurant-Besuchen das Tragen einer Maske und die Vorlage eines Impfnachweises verlangt werden.
anti-defamation league Der Chef der Anti-Defamation League (ADL), Jonathan Greenblatt, nannte Davidsons Äußerung »gefährlich und daneben«, eine Art »Holocaust-Verzerrung«. Die brutale Entmenschlichung und den Genozid an sechs Millionen Juden mit der Vorlage eines Impfausweises zu vergleichen, sei »verkehrt und muss aufhören«.
Mehrere Kongressabgeordnete, darunter der Republikaner Adam Kinzinger, konfrontierten Davidson – wie zuvor schon die Rechtsradikale Marjorie Taylor Greene, die Parallelen zwischen dem Tragen des »Judensterns« und der Vorlage von Impfnachweisen gezogen hatte. Auch Greene entschuldigte sich, ohne sich vom Inhalt ihrer Aussagen zu distanzieren. Ähnliche Äußerungen beanstanden Bürgerrechtsgruppen und jüdische Organisationen bei den republikanischen Abgeordneten Scott Perry, Madison Cawthorn und Lauren Boebert.
Zur Salonfähigkeit derartiger Vergleiche tragen auch Medienstars der Rechten bei.
Zur Salonfähigkeit derartiger Vergleiche tragen auch Medienstars der Rechten bei; wie etwa Fox-Moderator Tucker Carlson, der eine mögliche Impfpflicht mit den medizinischen Experimenten der Nationalsozialisten und in Japan verglich. Im November rief eine Äußerung der Fox-Moderatorin Lara Logan das staatliche Museum des früheren NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau auf den Plan, nachdem sie den Virologen Anthony Fauci als einen modernen Josef Mengele bezeichnet hatte. Der Kriegsverbrecher hatte als »Lagerarzt« in Auschwitz medizinische Experimente an Häftlingen vorgenommen.
Laurel Leff vom Jewish Studies Program der Northeastern University sagte der israelischen Zeitung »Haaretz«, sie gehöre nicht zu denen, die keinerlei Holocaustvergleiche für zulässig hielten. Aber im Fall der Pandemie seien diese restlos unangebracht. »Sie können an diesem Punkt nur ankommen, wenn sie an Verschwörungen glauben.«