chile

Geborstene Wände, gerettete Tora

In Schutt und Asche Foto: AP

Anders als zuerst angenommen, haben die schweren Erdstöße am 28. Februar in Chile auch jüdische Einrichtungen zerstört. Rabbiner Angel Kreiman von der kleinen Masorti-Gemeinde in der Stadt Concepción erinnert sich: »Ich bin nach dem Beben in die Synagoge geeilt. Es sah aus wie die Zerstörung des Tempels: die Wände geborsten, Teile des Dachs eingestürzt. Ich konnte nicht drinnen bleiben. Also habe ich die Tora gerettet und das Gebäude verlassen.« Fast alle Fenster seien zersplittert, die Sitzbänke umgestürzt, sagt der Rabbiner. Kerzenleuchter hätten verstreut auf der Erde gelegen, dazwischen Talitot und Sitzkissen. Jetzt ist das Gebäude in der Calle Rengo einsturzgefährdet. Vermutlich muss es abgerissen und neu aufgebaut werden.

Rund 200 Personen zählt die jüdische Gemeinde Concepción, die 1920 gegründet wurde. Die meisten der rund 20.000 Juden in Chile gehören zu einer der sechs Masorti-Gemeinden des Landes. Allein in Santiago gibt es vier davon. »Wir arbeiten an einem Wiederaufbauplan«, sagt der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinschaft Chiles, Marcelo Isaacson, wenige Tage nach dem Beben. Alle Familien und ihre Angehörigen sind wohlauf. Derzeit gehe es darum, den Bedarf zu klären, die Hilfe zu zentralisieren, damit sie dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Auch die Synagoge in Temuco rund 600 Kilometer südlich der Haupt- stadt sei zerstört worden, sagt Isaacson. »Doch viele internationale jüdische Institutionen haben uns Hilfe zugesagt.«

erschüttert Das schwere Erdbeben hat mehr als 800 Menschen das Leben gekostet. Ganze Regionen südlich der Hauptstadt Santiago wurden durch die Wucht der Erschütterung zerstört. In der Hauptstadt selbst registrierten Mitglieder der jüdischen Gemeinde Beschädigungen an ihren Wohnhäusern. »Glücklicherweise sind sie nicht schwerwiegend«, berichtet Rabbiner Shmuel Szteinhendler, »wir werden sie reparieren, aber vor allem müssen wir jetzt jenen helfen, die viel größere Schäden erlitten haben.«

Auch Rettungsspezialisten der israelischen Armee, der Feuerwehr und des Magen David Adom, des Roten Davidsterns, sind unmittelbar nach dem Beben in Chile eingetroffen, um Verschüttete zu suchen und Überlebende zu bergen. Isaacson berichtet, dass die fünfte Feuerwehrbrigade aus Israel in der Erdbebenregion arbeitet und nach ihrem Einsatz als Notfallretter alle Gemeindezentren und Synagogen im Süden Chiles auf Schäden und Bausicherheit untersuchen werde. Gleiches gelte für die jüdischen Schulen sowie Bildungseinrichtungen. »Wir werden ihnen helfen und stehen bereits mit den staatlichen Behörden in Verbindung«, sagte der Präsident der jüdischen Gemeinde Chiles, Gabriel Zaliasnik, gegenüber der Nachrichtenagentur Agencia Judía de Noticias (AJN).

Die jüdischen Schulen haben am Montag ihren Betrieb wieder aufgenommen. »Unsere Lehrer sind dafür ausgebildet, den Schülerinnen und Schülern im Katastrophenfall und in Extremsituationen auch psychologischen Beistand zu leisten«, sagt Sergio Herskovits, der Direktor der hebräischen Schule Chaim Weizmann von Chile.

mitgefühl Für Kabbalat Schabbat am vergangenen Wochenende hatte Rabbiner Alejandro Bloch von der Israelitischen Kultusgesellschaft B’nei Jisrael in Santiago seine Gemeinde aufgerufen, für die Opfer und die Überlebenden des Bebens zu beten: »Im Gedenken an die, die starben, in Solidarität mit denen, die noch mehr verloren.«

Der Zentralrat der Juden in Chile hat inzwischen ein Nothilfekomitee gegründet, das die Hilfslieferungen der Gemeinden koordinieren soll. Die jüdische Gemeinschaft werde allen helfen, heißt es in einer Erklärung. Rabbiner Szteinhendler hofft, dass schon zu Pessach wieder überall Gottesdienste stattfinden können. »Dafür werden wir alles tun.«

Gerichtsurteil

Haftstrafen für Gewalt gegen Israelis in Amsterdam

In digitalen Chat-Gruppen war der Anklage zufolge zu einer »Jagd auf Juden« aufgerufen worden

 24.12.2024

Kanada

Jüdische Mädchenschule in Toronto zum dritten Mal beschossen

Auch im vermeintlich sicheren Kanada haben die antisemitischen Angriffe extrem zugenommen - und richten sich sogar gegen Kinder

 23.12.2024

Bulgarien

Kurzer Prozess in Sofia

Der jüdische Abgeordnete Daniel Lorer wurde von seiner Partei ausgeschlossen, weil er nicht zusammen mit Rechtsextremisten stimmen wollte

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Großbritannien

Gerechtigkeit und jüdische Werte

Sarah Sackman wurde als frisch gewählte Abgeordnete zur Justiz-Staatsministerin ernannt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  23.12.2024

Spanien

Tod in den Bergen

Isak Andic, Gründer der Modekette Mango und Spross einer sefardischen Familie aus der Türkei, kam bei einem Familienausflug ums Leben

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Australien

»Juden raus«-Rufe vor Parlament in Melbourne

Rechtsextremisten haben vor dem Regionalparlament in Melbourne antisemitische Parolen skandiert

 23.12.2024

Guatemala

Rund 160 Kinder vor ultraorthodoxer Sekte gerettet

Laut Behördenangaben wurden auf dem Gelände von »Lev Tahor« mutmaßliche sterbliche Überreste eines Kindes gefunden

 22.12.2024

Analyse

Putins antisemitische Fantasien

Der russische Präsident ist enttäuscht von der jüdischen Diaspora im Westen und von Israel

von Alexander Friedman  22.12.2024

Diplomatie

Israel und Irland: Das Tischtuch ist zerschnitten

Politiker beider Länder überhäufen sich mit Vorwürfen. Wie konnte es so weit kommen?

von Michael Thaidigsmann  18.12.2024