In London hat am Montag eine Gruppe von Juristen Strafanzeige gegen zehn britische Staatsbürger in Diensten der israelischen Armee eingereicht. Ihnen wirft die Gruppe Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza vor. Das berichtete der britische »Guardian«.
Demnach richtet sich die 240-seitige Beschwerde vor allem gegen Doppelstaatsangehörige, die neben dem israelischen Pass auch den britischen haben. Ihnen werden gezielte Tötungen von Zivilisten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen und Angriffe auf Krankenhäuser in dem Küstenstreifen vorgeworfen. Die vorgebrachten Indizien beruhten auf öffentlich zugänglichen Beweisen und Zeugenaussagen, schrieb die Zeitung. Die Anzeige beziehe sich auf den International Criminal Court Act 2001, mit dem das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in nationales Recht umgesetzt wurde.
Die Namen der Angezeigten wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht genannt. Auch israelische Armeeoffiziere sollen sich darunter befinden. Einer der Beschwerdeführer, der Rechtsanwalt Michael Mansfield, sagte dem »Guardian«: »Wenn einer unserer Staatsangehörigen eine Straftat begeht, sollten wir etwas dagegen unternehmen. Selbst wenn wir die Regierungen anderer Länder nicht davon abhalten können, sich schlecht zu benehmen, können wir zumindest unsere Staatsangehörigen davon abhalten, sich schlecht zu benehmen.«
Britische Bürger seien »gesetzlich verpflichtet, sich nicht an Verbrechen in Palästina zu beteiligen. Niemand steht über dem Gesetz«, so der Anwalt, der in der Vergangenheit mehrere öffentlichkeitswirksame Fälle betreut hat und den früheren Vorsitzenden der Labour Party, Jeremy Corbyn, gegen Vorwürfe des Antisemitismus verteidigt hatte.
Belgischer Verein macht mobil
Der Bericht wurde von dem in Gaza ansässigen Palästinensischen Zentrum für Menschenrechte und dem britischen Public Interest Law Centre in Auftrag gegeben. Die darin zitierten Fälle von angeblichen Verbrechen israelischer Soldaten sollen den Zeitraum von Oktober 2023 bis Mai 2024 betreffen. Das Papier wurde nicht veröffentlicht.
Auch in anderen Ländern sehen sich Soldaten der Israel Defense Forces (IDF) an den Pranger gestellt. Immer mehr im Mittelpunkt steht dabei der in Belgien eingetragene Verein Hind Rajab Foundation (HRF), der erst im September vergangenen Jahres von zwei Männern gegründet wurde und seinen Sitz im Brüsseler Stadtteil Molenbeek hat. HRF ist nach dem fünfjährigen palästinensischen Mädchen Hind Rajab benannt. Sie wurde im Januar 2024 bei einer israelischen Militäraktion in Gaza getötet.
Einer der beiden HRF-Gründer ist Dyab Abou Jahjah, ein im Libanon geborener politischer Aktivist, der im vergangenen Jahr mit einer Liste names »Viva Palästina« zu den Parlamentswahlen in Brüssel antrat, am Ende aber erfolglos blieb.

Im Dezember sagte Abou Jahjah der nigerianischen Zeitung »The Nation«, sein Verein wolle »sicherstellen, dass die Soldaten, die Hind ermordet haben, der Gerechtigkeit zugeführt werden – zusammen mit ihren Anführern und allen anderen Mördern der israelischen Verteidigungskräfte«. Entgegen dem Vereinsnamen handelt es sich bei der HRF jedoch um keine Stiftung.
Auch Deutschland betroffen
Laut der Anti-Defamation League stand Abou Jahjah vor seiner Übersiedlung nach Belgien der Hisbollah nahe. In den sozialen Netzwerken hat er wiederholt die schiitische Terrormiliz und ihren von Israel getöteten Anführer Hassan Nasrallah gepriesen, das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 gerechtfertigt und gar bestritten, dass es sich hierbei um »systematische Massaker« gehandelt habe.
HRF hat bereits in zahlreichen Ländern Anzeige gegen israelische Soldaten auf Auslandsreise erstattet, zuletzt gegen ein Mitglied der Givati-Brigade in Rumänien. Auch in Deutschland ist der Verein offenbar aktiv: Ende März erstattete sie eigenen Angaben zufolge Anzeige gegen einen IDF-Panzerkommandanten. Es sei »durch Videos und Fotos« belegt, dass der Betreffende zivile Gebiete beschossen und nichtmilitärische Strukturen ins Visier genommen habe, so HRF in ihrem Newsletter.
Trotz seiner deutschen Staatsangehörigkeit hätten sich deutsche Staatsanwälte aber bislang geweigert, Ermittlungen einzuleiten.