Am 1. April hat in Russland die bis Mitte Juli andauernde Frist zur Einberufung Wehrpflichtiger zum Armeedienst begonnen. Zwei Wochen nach Beginn des Krieges in der Ukraine meldete das russische Verteidigungsministerium, es gebe Hinweise auf den Einsatz Wehrpflichtiger.
Genaues will keine offizielle Stelle mitteilen, dafür gibt es in sozialen Medien zuhauf Videos von jungen russischen Kriegsgefangenen. Dass nach offizieller Lesart gar kein Krieg geführt wird, sorgt bei jungen Männern und ihren Angehörigen für zusätzliche Verunsicherung – auch bei russischen Juden.
familie Timofej hielt sich gerade in Israel auf, als das russische Militär die Ukraine angriff. Er hätte dort bleiben können, kehrte aber zu seiner Familie nach St. Petersburg zurück. In vier Monaten soll er sein Diplom erhalten. Schließlich sei es besser, mit Uni-Abschluss zu emigrieren als ohne, findet seine Mutter Irina. Wer an einer Universität studiert, wird automatisch vom Wehrdienst freigestellt.
Als Fachmann für Robotik wäre Timofej für die Armee eine willkommene Bereicherung. Zudem absolvierte der 21-Jährige Kurse am Militärlehrstuhl seiner Hochschule, weshalb er mit seinem Diplom automatisch einen Offiziersrang erhält.
In Friedenszeiten ist das eine kluge Entscheidung: Im Rahmen der bis zum 27. Lebensjahr geltenden allgemeinen Wehrpflicht könnte er nicht mehr eingezogen werden. So aber besteht die reale Gefahr, dass Timofej als Reservist vorgeladen wird. Ab Herbst will er in Israel weiter studieren, vorausgesetzt er darf als Offizier die russische Grenze passieren.
universität »Ich bin gleich am ersten Kriegstag ausgereist«, sagt der knapp 19 Jahre alte Joseph. Erst im September hatte er sein Geschichtsstudium an einer Moskauer Universität aufgenommen, sich aber mittlerweile exmatrikuliert. »Es war abzusehen, dass sich die Lage verschlimmern wird, nicht aber, dass es so schlimm wird«, sagt Joseph. Im Baltikum, wo er sich derzeit aufhält, fühlt er sich sicher.
Abschiebungen nach Russland sind unter den derzeitigen Bedingungen ausgeschlossen. Freunde holten seine Unterlagen aus der Uni, die er braucht, um in Europa studieren zu können. »Ich bin europäischer Jude, und mein Platz ist hier.«