Herr Berdugo, Israel und Marokko nehmen diplomatische Beziehungen auf. Welche Auswirkungen hat das auf die jüdische Gemeinschaft in Ihrem Land?
Wir sind über diese Entwicklung sehr erfreut. Es handelt sich um eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, denn in den 90er-Jahren gab es ja bereits diplomatische Verbindungsbüros in Tel Aviv und Rabat. Und auch nach deren Schließung 2000 wurden die Beziehungen nie ganz eingestellt.
Sie waren vor 30 Jahren bereits Tourismusminister Marokkos. Erwarten Sie bald einen starken Anstieg der Touristenzahlen aus Israel?
Wir empfangen hier schon jetzt mehr als 40.000 israelische Besucher pro Jahr. Das sind Pilger, Touristen, die an den Hohen Feiertagen kommen, oder Menschen, die Familienangehörige besuchen wollen. Nach offiziellen Schätzungen wird – sobald die Pandemie vorbei ist – mit einem Zustrom von 200.000 israelischen Touristen jährlich gerechnet. Das wird eine echte Herausforderung für unsere kleine Gemeinschaft. Wir müssen ja auch zuverlässige koschere Lebensmittel anbieten. Aber wir werden unserer Verantwortung schon gerecht werden. Die Regierung hat vor Kurzem eine neue Verordnung erlassen, die der jüdischen Gemeinde in Marokko das ausschließliche Recht einräumt, das Koscherzeichen in allen Bereichen zu verwenden.
Werden auch nichtjüdische Marokkaner nach Israel reisen?
Geht man nach den vielen Anfragen, die wir erhalten, gibt es sicherlich eine Reihe muslimischer Touristen aus Marokko, die Israel bereisen wollen. Wie viele, das kann ich nicht sagen.
Vergangene Woche haben Sie bereits den israelischen Außenminister Yair Lapid in der Synagoge in Casablanca empfangen. Wie haben Sie dieses Treffen erlebt?
Der Minister wollte gern eine Synagoge in Marokko besuchen, und wir haben ihn im Beth El, der großen Synagoge Casablancas, empfangen. Während dieser bewegenden Zeremonie sprach der Rabbiner auch den Segen für König Mohammed VI. Wie alle Marokkaner haben wir es sehr geschätzt, dass der Minister sich bereit erklärt hat, an diesem Gebet teilzunehmen.
Gibt es in der Bevölkerung Unterstützung für enge Beziehungen zu Israel?
Ja, die große Mehrheit der Marokkaner steht dem positiv gegenüber. Sie ist der Meinung, dass das für beide Länder von Vorteil sein wird, im Hinblick auf die Wirtschaft und die Sicherheit, aber auch Kultur oder Gesundheitsversorgung. Die Menschen hier glauben, dass die Rückkehr Marokkos auf die Bühne des Nahen Ostens eine Gelegenheit ist, den Dialog für einen echten Frieden wiederaufzunehmen. Marokko kann ein glaubwürdiger und aufrichtiger Vermittler sein.
Das Interview mit dem Generalsekretär des Rates der jüdischen Gemeinden Marokkos führte Michael Thaidigsmann.