Mitten in Maputo, der quirligen Hauptstadt von Mosambik, liegt zwischen Büro- und Wohnhäusern die kleine Synagoge der örtlichen jüdischen Gemeinde. Das Bethaus ist eingeschlossen von einer niedrigen Mauer, Palmen und einer saftig grünen Rasenfläche. Betritt man es, sind Lärm und Hektik der Großstadt plötzlich verschwunden.
Errichtet wurde die Synagoge 1926 unter portugiesischer Kolonialherrschaft im neobarocken Stil. Entsprechend setzt sich die Architektur deutlich von den umliegenden Gebäuden ab, deren funktionales Äußeres darauf schließen lässt, dass sie erst nach der Loslösung des Landes von Portugal 1975 gebaut wurden.
In Mosambik leben heute knapp 25 Millionen Menschen, die Fläche des Landes ist aber mehr als doppelt so groß wie die Deutschlands. Mosambik ist ein armes Land, in den vergangenen Jahren hat jedoch der Fund riesiger Erdgasfelder vor der Küste zu einem wirtschaftlichen Aufschwung geführt. Für Touristen bietet Mosambik wunderschöne Strände sowie eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt.
Geschichte Die ersten Juden kamen mit den Portugiesen im 15. Jahrhundert nach Mosambik, aber eine richtige Gemeinde entstand erst 1899. Als das Land dann vor genau 40 Jahren seine Unabhängigkeit erklärte, wanderten die meisten mosambikanischen Juden aus. Sie hatten Angst vor Gewalt und der ungewissen Zukunft. Die Torarollen brachte man zur Aufbewahrung nach Südafrika, und die Gemeinde löste sich auf. Die sozialistische Regierung verstaatlichte die Synagoge in Maputo. Jahrelang diente sie dem Roten Kreuz als Lagerraum – und verfiel.
Zu einem Neubeginn der Gemeinde kam es um das Jahr 1988, erinnert sich Vorbeter Larry Herman. Damals sollte die baufällig gewordene Synagoge abgerissen werden. Nachdem Mitglieder der Gemeinde beim Ministerpräsidenten intervenierten, wurde der Abriss gestoppt, und man übergab ihnen die Schlüssel für das Gebäude. In den 90er-Jahren versuchte die Gemeinde, die Synagoge und den jüdischen Friedhof wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.
Der Wille war da, aber es bedurfte noch eines besonderen Ereignisses, um der Gemeinde neues Leben einzuhauchen. Das geschah im Jahr 2009, berichtet Samuel Levy. Er ist Rechtsanwalt und Vorsitzender der Gemeinde: »Ein Mädchen aus unserer Gemeinde wollte ihre Batmizwa feiern«, erzählt Levy, »deshalb richteten wir die Synagoge her, so gut es eben ging, und am Ende kamen 125 Menschen, um die allererste Batmizwa in Mosambik zu feiern!«
Das war die Initialzündung. Im darauffolgenden Jahr wurde die Gemeinde auch offiziell unter ihrem ursprünglichen Namen »Honen Dalim« wiedergegründet. Es folgten die erste jüdische Hochzeit und die erste Barmizwa seit der Unabhängigkeit Mosambiks. Im Jahr 2013 wurde die vollständig renovierte Synagoge wiedereröffnet. Hochrangige Vertreter aller Religionen Mosambiks und die damalige Justizministerin Benvida Levi, die dem Vernehmen nach jüdische Wurzeln hat, nahmen daran teil.
Gefrierschrank Aber wie kann man sich jüdisches Leben in einer so kleinen Gemeinde in einem südafrikanischen Land vorstellen? »Wir haben einen großen Gefrierschrank«, sagt Larry Herman und lacht. Alle koscheren Lebensmittel müssen aus Südafrika importiert werden. Auch der nächste Rabbiner lebt in dem großen Nachbarland im Süden. In der Regel leitet Herman die Gottesdienste der Gemeinde. Er stammt aus den USA und kam vor 15 Jahren nach Mosambik – für ein Projekt, das eigentlich nur vier Monate dauern sollte.
Mit ihren rund 50 aktiven Mitgliedern ist die Gemeinde recht überschaubar. Man kennt einander, es herrscht eine familiäre Atmosphäre. Einige Mitglieder stammen noch aus den alten jüdisch-mosambikanischen Familien. Die meisten aber sind wie Herman aus anderen Ländern zugezogen, um in Mosambik zu arbeiten.
In den vergangenen Jahren habe es drei Giurim gegeben, erzählt Herman, und es warten noch weitere Interessenten auf ihren Übertritt. Aber der Konvertierungsprozess müsse aufgrund eines fehlenden Rabbiners über Südafrika »abgewickelt« werden, und das sei kompliziert.
Das Zentrum der jüdischen Gemeinde von Maputo bildet die renovierte Synagoge. »Wir treffen uns jeden Freitagabend sowie Samstag- und Sonntagmorgen in der Synagoge«, beschreibt Samuel Levy das Gemeindeleben. »Wenn wir keinen Minjan zusammenbekommen, dann lesen wir einfach den Wochenabschnitt und sprechen darüber.« Ein wichtiger Bezugspunkt seien natürlich die Feiertage, die ausnahmslos alle Gemeindemitglieder einhalten würden, so Levy. »Unsere Gottesdienste sind sehr traditionell. Aber es gibt zusätzlich einige mosambikanische Aspekte«, ergänzt Larry Herman, »so sagen wir zum Beispiel jeden Freitag ein Gebet für die Gesundheit.«
Neben den religiösen Angeboten gibt es auch soziale und kulturelle Aktivitäten, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken sollen. Da die Gemeinde so klein sei, müsse jeder mit anpacken, sagt Levy. »Wir haben nicht den Luxus großer Gemeinden, in denen sich einzelne Mitglieder zurücklehnen können.«
Antisemitismus Die Frage, ob sie in Mosambik manchmal auch Antisemitismus erleben, verneinen Levy und Herman. »Wenn ich Leuten erzähle, dass ich jüdisch bin, dann reagieren sie in der Regel mit Interesse und Respekt – und einer gehörigen Portion Nichtwissen«, meint Herman. Eine Einschränkung müsse er allerdings machen, gibt Levy zögernd zu: Während des letzten Gaza-Kriegs im vergangenen Sommer hätten die Gemeindemitglieder auf öffentliche Solidaritätsbekundungen gegenüber Israel vorsorglich verzichtet. »Wir bewegen uns auf einem sehr schmalen Grat«, umschreibt er die Situation.
Auch die politischen Probleme im Land sind nach wie vor nicht gelöst. Erst vor zwei Jahren stand Mosambik kurz vor einem erneuten Bürgerkrieg. Levy wiegelt ab: Das seien alles nur politische Spielereien. Wenn sich die politischen Parteien des Landes vor 23 Jahren geeinigt hätten, dann würden sie es auch jetzt wieder schaffen. Levy muss es wissen, er war damals als Vermittler an den Verhandlungen zwischen den verfeindeten Bürgerkriegsparteien beteiligt.
Im ruhigen Innenraum der Synagoge wirken diese Herausforderungen weit entfernt. Die Blicke von Samuel Levy und Larry Herman sind auf die Zukunft der Gemeinde gerichtet. Etliche Mosambikaner mit jüdischen Wurzeln haben großes Interesse an der Gemeinde und denken darüber nach, sich offiziell anzuschließen. Auch einige nichtjüdische Mosambikaner hätten Interesse bekundet, sagt Herman. »Wir hoffen auf Wachstum und Kontinuität.«