Kanada

Fromm und chic

Bevor Maria Patricia de Sousa vor sieben Jahren zu einem einjährigen Aufenthalt in ein Religionsseminar in Jerusalem aufbrach, besuchte sie eine orthodoxe jüdische Bekannte in ihrer brasilianischen Heimatstadt São Paulo. Die junge Frau wollte etwas über das Leben in Jerusalem erfahren – die besten Restaurants, wie man mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorankommt, welches Schabbat-Geschenk man bei Besuchen mitbringen soll. Doch sie fand bald heraus, dass sie ein wichtiges Detail übersehen hatte.

Ihre Bekannte und Führerin in die orthodoxe Welt warf einen einzigen Blick auf sie – »angezogen wie ein typisches Mädchen im Sommer in Brasilien«, so de Sousa – und teilte ihr sanft mit: »Ich glaube, du musst dir ein paar neue Sachen zulegen.«

Sieben Jahre danach ist de Sousa, die heute Esther Goldberger heißt, Inhaberin von DellaSuza, einem Modelabel für religiöse Frauen mit Sitz in der kanadischen Millionenstadt Montreal. Die 36-Jährige entwirft zu Hause leichte Kleider, Blusen und Röcke und produziert sie mit einer kleinen Belegschaft in ihren Büroräumen. »Als ich anfing, war DellaSuza ein Ein-Frau-Betrieb«, erzählt Goldberger und lacht. »Es gab viele, viele schlaflose Nächte – und eine Menge Arbeit.«

liebe Goldberger, in ihrem früheren Leben Lehrerin an einer Baptisten-Sonntagsschule und Fremdsprachensekretärin, sagt, sie habe irgendwann angefangen, über das Judentum zu lesen und sich »in den Glauben verliebt«. Sie studierte jüdische Religion in Brasilien, am Ende ihrer intellektuellen Reise stand das Seminar in Har Nof, einer orthodoxen Nachbarschaft in Israel. Die junge Frau aus Brasilien war dort die einzige nichtjüdische Studentin. Ihre Familie war anfangs entsetzt über ihren Beschluss zu konvertieren. »Zu Beginn flippten sie aus«, erinnert sich Goldberger. »Mittlerweile akzeptieren sie es, geben mir Liebe, und es ist alles wieder okay.«

Ihren Ehemann lernte Goldberger online kennen, rasch zog sie wieder um – dieses Mal von Israel nach Kanada. Sie und ihr Mann Abie ließen sich in seiner Heimatstadt Montreal nieder. Doch schnell wurde ihr klar, dass ihr das Leben als Hausfrau nicht genügte, deshalb entschied sie sich für ein Modedesign-Studium am LaSalle College in Montreal. Nun war sie die einzige orthodoxe Studentin in ihrer Klasse.

Goldberger ist der letzte Neuzugang in einem kleinen Kreis von Designern, die Haute Couture für orthodoxe Frauen kreieren; eine Zielgruppe, deren strengen Anforderungen an Sittsamkeit und Zurückhaltung die Mainstream-Mode in den seltensten Fällen genügt. Während viele Designer für orthodoxe Frauen sich auf formelle Kleidung für besondere Anlässe konzentrieren, will Goldberger sittsame Kleider entwerfen, die den Bedürfnissen des Alltagslebens einer religiösen Frau gerecht werden. »So viele dieser Frauen wollen in bequemer Kleidung zum Einkaufen gehen oder mit ihren Kindern durch den Park spazieren, aber keiner denkt an sie«, weiß Goldberger.

grenzen Ihre Kleiderentwürfe spiegeln ihre sonnige Persönlichkeit wider – helle Farben und leuchtende Muster –, doch selbstverständlich alles innerhalb der Grenzen der Kleidervorschriften. Unter Überschriften wie »Die glänzende Welt der umgedrehten Dreiecke« schreibt Goldberger inzwischen auch eine Reihe lockerer Kolumnen über Mode für die Jewish Press, eine jüdisch-orthodoxe Zeitung in Kanada.

Voller Enthusiasmus sucht Goldberger zudem nach Möglichkeiten, die Reichweite ihres Modelabels zu vergrößern, Kleider für gläubige muslimische und christliche Frauen zum Beispiel. Sie habe immer noch Schwierigkeiten, den Menschen – darunter auch ihren Ehemann – davon zu überzeugen, dass Kleidung zu entwerfen mehr ist als nur ihr Hobby, berichtet Goldberger.

»Es war immer das Gleiche in meinem Leben. Als ich anfing, in Brasilien das Judentum zu studieren, hörte ich immer: ›Nein, das ist nichts für dich!‹«, erinnert sich die Jungdesignerin. »Und genauso war es dann auch, als ich damals meinen Ehemann online kennenlernte und als ich beschloss, ein eigenes Modelabel ins Leben zu rufen: ›Tu das bloß nicht! Das ist nichts für dich!‹ Aber ich höre nie darauf«, sagt Goldberger entschieden. »Ich mache einfach weiter.«

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