Großbritannien

For King and Country

Appell: Der »Jewish Chronicle« ruft Freiwillige an die Front. Foto: Jewish Military Museum

Großbritannien

For King and Country

1914–1918: Juden in der britischen Armee

von Daniel Zylbersztajn  24.06.2014 08:37 Uhr

Großbritannien war alles, was es für Juden sein konnte. Juden werden alles für Großbritannien tun, was sie können.» So stand es im Sommer 1914 auf einem Banner am Redaktionsgebäude des «Jewish Chronicle» in London. Die Worte sollten jegliche Ambivalenz der jüdischen Position zum militärischen Einsatz ausräumen, denn bisher standen Juden einem bevorstehenden Waffengang sehr skeptisch gegenüber.

Bis Kriegsende 1918 waren 50.000 jüdische Männer und Frauen im Dienste der britischen Armee. Roz Currie, Kuratorin der Ausstellung «For King and Country?», die im Jewish Museum London jüdische Erfahrungen des Ersten Weltkriegs dokumentiert, ist der Meinung, dass der Erste Weltkrieg für Juden in Großbritannien vor allem eine Identitätsfrage war.

Rund 4000 etablierte jüdische Bürger meldeten sich gleich 1914 freiwillig zum Kriegsdienst. Unter den jüdischen Einwanderern aus Osteuropa war die Position nicht ganz so klar. Einer der bekanntesten von ihnen war der Dichter Isaac Rosenberg. Trotz gewisser Zweifel am Krieg ging er zur Armee – vor allem, um seine Mutter mit dem Sold zu unterstützten. Viele seiner pazifistischen Freunde zogen es jedoch vor, den Kriegsdienst zu verweigern. Allerdings wurde dies nur akzeptiert, wenn religiöse Gründe vorlagen.

militärrabbiner
Im Gegensatz zu deutsch-jüdischen Soldaten wurden die Juden in der britischen Armee schlecht versorgt. So gab es lediglich 14 Militärrabbiner. Die versuchten mit einer mobilen Gebetstafel den Bedürfnissen der jüdischen Soldaten gerecht zu werden. Koscheres Essen gab es fast überhaupt nicht.

Wie britisch-jüdische Soldaten behandelt wurden, hing vor allem von ihrer Klassenzugehörigkeit ab. Dennoch konnten sie nie in ganz hohe Ränge aufsteigen. Aber es war Großbritannien, das jüdischen Ambitionen am nächsten kam und eine Jüdische Legion gründete. Zu dessen Soldaten gehörten bekannte Zionisten wie Wladimir Zeev Jabotinsky, Joseph Trumpeldor und David Ben Gurion.

zionisten Die Bedeutung dieser Einheit lässt sich jedoch erst heute ermessen, sagt der Historiker Gideon Reuvini, denn am Anfang des Krieges war nicht klar, auf welcher Seite die Zionisten kämpfen würden. «Es war schlicht Glück, dass ihre Spekulation aufging und die Briten den Krieg gewannen.»

Doch der Krieg hatte auch unerwartete Folgen: So boomte das jüdische Textilgewerbe in London durch die Nachfrage an Uniformen. Die wurden allerdings bei britisch-jüdischen Trägern nur spärlich dekoriert. Erhielten deutsche Juden nach dem Krieg mehr als 30.000 Orden, gab es auf britischer Seite nur fünf, die mit dem Victoria Cross geehrt wurden.

Unter den herausragenden jüdischen Personen im Dienste des Königs wird in der Ausstellung im Jewish Museum auch eine Frau besonders erwähnt: Florence Greenberg. Sie verpflegte den gesamten Krieg über Verletzte und Kranke auf einem Lazarettschiff. Wer gedient hatte, konnte nach dem Krieg mit einem guten Führungszeugnis rechnen, und wer noch nicht Brite war, mit der vollkommenen Einbürgerung.

Nachruf

Die Frau, die den Verschlüsselungscode der Nazis knackte

Im Zweiten Weltkrieg knackten die Briten in Bletchley Park den Verschlüsselungscode der Nazis. Eine der Frauen, die beim Entziffern feindlicher Nachrichten half, war Charlotte »Betty« Webb

von Julia Kilian  01.04.2025

Todestag

Wenn Worte überleben - Vor 80 Jahren starb Anne Frank

Gesicht der Schoa, berühmteste Tagebuch-Schreiberin der Welt und zugleich eine Teenagerin mit alterstypischen Sorgen: Die Geschichte der Anne Frank geht noch heute Menschen weltweit unter die Haut

von Michael Grau, Michaela Hütig  31.03.2025

Interview

»Es ist sehr kurz vor zu spät«

Für eine »Restabilisierung« der Gesellschaft und die Verteidigung der Demokratie bleiben höchstens fünf Jahre Zeit, warnt Michel Friedman

von Steffen Grimberg  28.03.2025

Imanuels Interpreten (7)

Peter Herbolzheimer: Der Bigband-Held

Der jüdische Posaunist, Komponist, Arrangeur, Bandleader und Produzent rettete Bigbands, gründete seine eigene und wurde Jazz-Rock-Pionier

von Imanuel Marcus  27.03.2025

Irak/Iran

Die vergessene Geisel

Seit zwei Jahren befindet sich Elizabeth Tsurkov in der Gewalt einer pro-iranischen Terrormiliz. Nun sorgt Druck aus Washington für Bewegung

von Sophie Albers Ben Chamo  24.03.2025

Schweiz

Trauer um eine »Macherin«

Die Zürcher Verlegerin und Mäzenin Ellen Ringier ist im Alter von 73 Jahren verstorben. Ein Nachruf

von Peter Bollag  24.03.2025

New York

Von Gera nach New York

Der Journalist Max Frankel, früherer Chefredakteur der New York Times, ist tot. Er wurde 94 Jahre alt

 24.03.2025

New York

Für immer Carrie: Sarah Jessica Parker wird 60

Als Sex-Kolumnistin Carrie Bradshaw in »Sex and the City« wurde Sarah Jessica Parker zum Weltstar. Jetzt feiert »SJP« ihren runden Geburtstag

von Christina Horsten  24.03.2025

Orléans

Rabbiner geschlagen und gebissen

Der Täter flieht, wenig später wird ein junger Verdächtiger festgenommen – Präsident Macron verurteilt Angriff auf Rabbiner

 23.03.2025 Aktualisiert