Nicht viele jüdische Gemeinden Westeuropas blieben während der NS-Schreckensherrschaft von Verfolgungen verschont. Die Israelitische Gemeinde Basel (IGB) an der deutschen Grenze gehört zu ihnen. Die junge Historikerin Noëmi Sibold legt unter dem Titel Bewegte Zeiten ein Standardwerk über die Geschichte der Basler Juden zwischen den 30er- und 50er-Jahren vor.
Sibold zeigt, dass es auch im »roten« Basel – zwischen 1935 und 1950 regierte die Linke in der Stadt – durchaus braune Flecken gab. Zwar schaffte es der Schweizer Nazi-Ableger Volksbund nie ins Stadtparlament, und sein Einfluss blieb, wie auch der anderer Nazi-Gruppen, marginal. Aber auch unter den etablierten Parteien waren immer wieder böse Töne gegenüber der jüdischen Gemeinschaft zu hören.
Auch wenn es – anders als in Zürich – in Basel nicht zu antijüdischen Ausschreitungen kam, blühte doch in den 30er-Jahren da und dort in der Rheinstadt der Judenhass. Den bekamen nicht nur die zahlreichen Flüchtlinge zu spüren, sondern auch die alteingesessenen Juden.
Der Antisemitismus machte auch vor den sogenannten besseren Kreisen nicht halt. So schrieb der aus dem Basler Großbürgertum stammende Geschichtsprofessor Carl Jacob Burckhardt im Juni 1933 in einem Brief: »Es gibt einen bestimmten Aspekt des Judentums, den ein gesundes Volk bekämpfen muss.«
Fremdenpolizei Und so wurde denn auch munter bekämpft: etwa vonseiten der Fremdenpolizei des Kantons. Die schritt rigoros ein, damit sich an der Basler Universität ja nicht zu viele jüdische Studenten immatrikulierten, auch wenn es keine gesetzliche Grundlage für die strenge Kontrollpolitik gab und sich das Rektorat der Uni häufig dagegen zur Wehr setzte, weil es um das Ansehen der Hochschule fürchtete.
Die Flüchtlingspolitik geriet ebenso in ein ähnliches Fahrwasser, auch wenn – vor allem nach 1935 – Basel hier deutlich liberaler agierte als die Rest-Schweiz und so vermutlich nicht wenigen Flüchtlingen, die hier über die Grenze gelangen konnten, das Leben rettete. Festgehalten werden muss auch, dass die große Mehrheit der Basler den Nationalsozialismus stets ablehnte und seinen Einfluss in der Stadt bekämpfte.
Boykott Wie Noëmi Sibold in ihrem Buch aufzeigt, suchten die Basler Juden, die sozusagen Tür an Tür mit den braunen Machthabern leben mussten, schon kurz nach Hitlers »Machtergreifung« nach einer geeigneten Strategie. So diskutierten die Basler, als 1933 in Deutschland jüdische Geschäfte boykottiert wurden und zwei Jahre später die Nürnberger Rassengesetze in Kraft traten, über einen Gegenboykott deutscher Waren und Produkte.
Sibold blickt auch auf die Nachkriegszeit. So beschreibt sie zum Beispiel, wie sich der linke Jugendbund Haschomer Hazair und die damalige Gemeindeführung jahrelang in den Haaren lagen. Nach 1945 wanderten viele Basler nach Palästina und später in den neu gegründeten Staat Israel aus – eine Tatsache, die mit dafür sorgte, dass die Zahl der Gemeindemitglieder nie größer war als 2.000.