Von den Nationalsozialisten aus Danzig vertrieben, floh Justus Rosenberg während des Zweiten Weltkriegs nach Frankreich. Dort half er dem Freiheitskämpfer Varian Fry, Hunderte Menschen in Sicherheit zu bringen. Wie die »New York Times« am Donnerstag unter Berufung auf seine Ehefrau Karin berichtete, starb Rosenberg, der der letzte noch lebende Helfer von Fry war, bereits am 30. Oktober im Alter von 100 Jahren.
DANZIG Auch das Bard College, an dem Rosenberg bis zuletzt gelehrt hatte, bestätigte seinen Tod. Demnach starb der Professor für Sprachen und Literatur, der im Januar 100 Jahre alt geworden war und erst im vergangenen Jahr ein Buch über seine Zeit an der Seite von Fry herausgegeben hatte, im Kreis seiner Familie.
Geboren wurde Rosenberg 1921 in Danzig, seine Eltern waren säkulare Juden, die Sprache zuhause war Deutsch. Als Kind war Justus in der jüdischen Jugendorganisation Habonim aktiv. 1937 wurde er als Jude von der Schule verwiesen. Im Jahr darauf gelangte er 1938 mit einem Studentenvisum nach Frankreich. Die Eltern und die Schwester Lilian flohen 1939 nach Mauritius und später nach Israel.
In Frankreich besuchte Justus die Schule und nahm später ein Universitätsstudium an der Pariser Sorbonne auf. Über Bekannte lernte er im Süden des Landes schließlich den US-Journalisten Fry (1907-1967) kennen, der ihn sofort als Helfer beim Aufbau seines Rettungsnetzwerks einstellte, mit dem er Hunderte Menschen die Flucht vor den Nationalsozialisten ermöglichen wollte. Darunter waren beispielsweise die Philosophin Hannah Arendt, die Künstler Marc Chagall und Max Ernst und die Schriftsteller Heinrich und Golo Mann.
SPRACHTALENT Im Team wurde Rosenberg bald »Gussie« genannt. Der unauffällig aussehende junge Mann, der perfekt Französisch, Deutsch und Englisch sprach, lebte mit Fry und den anderen in einem Haus. Er wurde zum Kurier, überbrachte teils gefälschte Dokumente und half berühmten Menschen wie Heinrich Mann und Franz Werfel persönlich über die Pyrenäen nach Spanien.
Den damals 60 Jahre alten Schriftsteller Werfel trugen Rosenberg und Werfels Frau Alma Mahler-Werfel zusammen über die Berge, jeder einen Arm über der Schulter. »Mir war schon damals bewusst, dass da etwas Historisches passiert. Aber es war auch einfach ein großes Abenteuer für mich«, sagte Rosenberg einmal der Deutschen Presse-Agentur.
USA Nachdem Fry aufflog, schlug sich Rosenberg alleine durch und wurde Mitglied bei der Résistance, der französischen Untergrundarmee. 1948 ging er in die USA und wurde von einer Universität im US-Bundesstaat Ohio als Französischlehrer engagiert.
Von 1962 an lehrte er 30 Jahre lang als Professor am Bard College in New York und führte auch nach seiner Emeritierung noch bis ins höchste Alter Lehrveranstaltungen durch. dpa/ja