Der jüdische Journalist und Buchautor Stephan Templ muss vermutlich nicht ins Gefängnis. Er war im April 2013 wegen »schweren Betruges« zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil sich die Republik Österreich durch ihn geschädigt sah.
Es ging um die Restitution eines ehemaligen Sanatoriums in Wien, das nach 1938 »arisiert« worden war. Templ, der sich einen Namen gemacht hatte als Verfasser kritischer Bücher zum österreichischen Umgang mit der Rückgabe jüdischen Besitzes nach 1945, meldete Ansprüche seiner Mutter an und versäumte es, auch den Namen seiner Tante anzugeben, die ebenfalls Ansprüche auf eine Liegenschaft in der Nähe des Wiener Rathauses gehabt hätte.
Nicht wenige vermuteten hinter dem überaus harten Urteil gegen den nicht vorbestraften Templ eine Retourkutsche für seinen oft kritischen Umgang mit seiner Heimat Österreich in Sachen Aufarbeitung der NS-Zeit. Der Fall machte Schlagzeilen in der ganzen Welt.
Finanzprokurator Doch vor einigen Wochen bestätigte der österreichische Finanzprokurator, also der Anwalt des Landes, in einem Brief an Stephan Templs Anwalt, dass der Republik im »Fall Templ« keinerlei Schaden entstanden sei – was das Gerichtsurteil praktisch nichtig macht und eigentlich sämtliche Anklagepunkte in sich zusammenfallen lässt. Der österreichische Staat räumt damit ein, was verschiedene Medien schon länger geschrieben hatten: dass nämlich Templ mit seinem Vorgehen keineswegs die Republik geschädigt hat, sondern nur ein legitimes Anliegen verfolgte.
Der Hintergrund dieser Richtungsänderung ist möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass Templs Anwalt Robert Amsterdam aus Großbritannien schon dabei war, den Fall nach Straßburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen. Je nach dem dortigen Urteil hätte Österreichs Ansehen möglicherweise sehr darunter leiden können. »Amsterdam ist ein prominenter Anwalt. Er ist bekannt dafür, seine Menschenrechtsprozesse erfolgreich durchzuziehen«, sagt Templ. Amsterdam trug unter anderem dazu bei, dass der russische Oligarch Michail Chodorkowski im Dezember 2013 aus der Haft entlassen wurde.
In einem Brief an den Generalprokurator in Wien forderte Amsterdam Ende Oktober, dass der Fall vor Österreichs Oberstem Gerichtshof nochmals aufgerollt und gleichzeitig das geltende Urteil aufgehoben wird. In dem Schreiben des Anwalts heißt es: »Herr Templ beantragte aufgrund historischen Unrechts Naturalrestitution und wurde nun zum Opfer eines Urteils, welches auf der Grundlage sowohl sachlicher als auch rechtlicher Fehler gefällt wurde.«
Diese Erkenntnis scheint sich nun auch in offiziellen Kreisen Österreichs durchzusetzen.