Angesichts der dramatischen Ausbrüche blanken Judenhasses in Europa während der israelischen Militäroperation »Protective Edge« luden das Simon Wiesenthal Center und das Mideast Freedom Forum Berlin am Dienstag zu einer Pressekonferenz ein, um auf das qualitativ neue Auftreten des Antisemitismus gerade auch in Bezug auf Israel aufmerksam zu machen.
Bei aller Genugtuung und Freude über die klaren Worte der Bundeskanzlerin bei der Kundgebung gegen Judenhass am 14. September in Berlin bleibe viel zu tun, und es müssten konkrete Aktionen folgen, betonten Michael Spaney vom Mideast Freedom Forum und Rabbi Abraham Cooper vom Wiesenthal Center.
Beide sehen eine neue Qualität im Ausdruck des Antisemitismus auf der Straße, in Deutschland und anderen europäischen Ländern. »Angebliche Friedensdemonstrationen schlugen um in Hassdemonstrationen gegen Israel und ›die Juden‹«, sagte Spaney. Es werde immer üblicher, sich der Sprache der Hamas zu bedienen und die Auslöschung Israels zu fordern, so Cooper. Dagegen müssten die Staatsorgane entschieden vorgehen und dies nicht hilflos geschehen lassen, wie es im Sommer in Deutschland die Polizei tat.
Hassprediger Ebenso forderte Cooper ein entschiedenes Vorgehen der Justiz gegen Hassprediger wie Bilal Ismail, der Ende Juli in einer Berliner Moschee zu Gewalt gegen Juden aufgerufen hatte und anschließend nach Dänemark ausreisen konnte. Diesen Vorfall habe er Bundesjustizminister Heiko Maas vorgestellt und dabei durchaus den Willen der Regierung wahrgenommen, nicht untätig zu bleiben. Ob jedoch die Erklärungsabsichten erfolgreich sein werden, bleibe abzuwarten.
Das Simon Wiesenthal Center sieht allerdings noch eine andere wichtige Baustelle, an der dringend gearbeitet werden sollte: die sozialen Medien. Bereits vor Jahren hat Cooper ein Projekt zum Thema »Digitaler Terrorismus und Hass« ins Leben gerufen. Man wolle auf keinen Fall das Privatleben der Nutzer beschneiden, unterstrich er, sondern in Absprache mit den Betreibern von Plattformen wie Facebook, Twitter, YouTube und anderen erreichen, dass gepostete Hasstiraden entfernt werden.
Noten Das Projekt gegen digitalen Terrorismus und Hass vergibt den Social-Media-Plattformen Noten für ihren Umgang mit Hass-Posts. Dabei schneidet übrigens Facebook am besten ab: Dort könne man sich über Hetzparolen beschweren und erreichen, dass sie entfernt werden, erklärte Cooper das positive Beispiel. Auch habe Facebook Arbeitsgruppen von jungen Technologieexperten aus verschiedenen Ländern eingerichtet, die sich mit solchen Problemen beschäftigen. »Das läuft alles auf freiwilliger Basis«, betonte Cooper. Dafür gibt es die Note B+.
Twitter kommt hingegen nur auf D. »Ich habe bei Twitter nachgefragt, ob ein Tweet entfernt wird, wenn es mit dem Logo der Terrororganisation Islamischer Staat gepostet wird«, erzählt Cooper. »Die Antwort war: ›Nicht unbedingt, es kommt auf den Inhalt an‹.« Daraus schließt Cooper, dass solche Tweets nicht entfernt werden. Er hat Beispiele von Tweets gesammelt, in denen etwa nach dem Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel Juden als »Ratten« bezeichnet wurden.
Druck In den sozialen Netzwerken würden junge Leute rekrutiert und radikalisiert, sagte er, da seien ausgeklügelte »Marketingstrategien« am Werk. Dort müsse man aktiv werden: »Man kann den Hass nicht per Gesetz verbieten«, betonte er, aber man könne die Hassparolen entfernen, sich dagegen stemmen, dass sie salonfähig werden, und um die Herzen und Hirne junger Menschen kämpfen.
Er forderte die Bundesregierung auf, einen runden Tisch mit Nichtregierungsorganisationen und Vertretern sozialer Netzwerke ins Leben zu rufen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Es müsse Druck auf die Firmen ausgeübt werden, damit sie von sich aus Maßnahmen ergreifen, ähnlich wie Facebook es bereits tut. Überdies empfahl Cooper der Bundesregierung, das Amt eines Beauftragten für Antisemitismus einzurichten.