Siebzig Jahre ist es her, dass Stefan Zweig, der jüdische Schriftsteller aus Österreich, seinem Leben ein Ende setzte. In Petropolis bei Rio de Janeiro, wo man derzeit das kleine Haus renoviert und zur Gedenkstätte herrichtet, begingen er und seine Frau Selbstmord, aus Verzweiflung über die Verfolgung der Juden und den Krieg, aber wohl auch wegen der Isolation und Einsamkeit in Brasilien.
»Das deutschsprachige Exil in Brasilien ist untrennbar mit dem Namen Stefan Zweig verbunden, war er doch der prominenteste Flüchtling des Nationalsozialismus in diesem Land«, schreibt Marlen Eckl im Vorwort ihres Buches Das Paradies ist überall, in dem sie das Brasilienbild von Flüchtlingen untersucht.
Kommunisten Obgleich Brasilien 1938 auf der Internationalen Flüchtlingskonferenz in Evian als großzügiges Aufnahmeland auftrat, quälte die Regierung des autoritären Herrschers Getúlio Vargas die jüdischen Flüchtlinge mit diplomatisch-bürokratischen Hürden. Man wollte sie nicht haben, sie hätten ja Kommunisten oder andere »subversive Elemente« sein können. Der Antisemitismus fand sich auch in den Amtsstuben und Konsulaten wieder.
Wie anders jedoch auf der Straße, auf dem Markt unter der Bevölkerung Brasiliens. Selbst die kritischsten Köpfe unter den zumeist intellektuellen Flüchtlingen, lobten die Warmherzigkeit, die »Cordialdidade« der Brasilianer. In diesem Punkte stimmen alle mit Stefan Zweig überein. Das erleichterte das Leben, das für die Flüchtlinge kein Zuckerschlecken war, auch nicht im warmherzigen und heißen Brasilien, dem fremden Land.
Die Studie von Marlen Eckl ist eine große Bereicherung. Sie leuchtet das Umfeld der Menschen auf der Flucht aus und leistet einen tiefenscharfen Beitrag über die kaum bekannte Geschichte Brasiliens als zweitgrößte (im weiten Abstand zu den USA) Aufnahmenation der Verfolgten des Nazi-Terrors.
Marlen Eckl: Das Paradies ist überall verloren. Das Brasilienbild von Flüchtlingen des Nationalsozialismus. Vervuert, Frankfurt 2010, 68 €