Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Mittwochabend in der Großen Synagoge von Brüssel den Rabbi-Lord-Jakobovits-Preis bekommen. Sie nahm ihn aus den Händen des Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, entgegen.
Wenige Minuten zuvor hatte Merkel im Europäischen Rat über Steuerflucht und Bankgeheimnis verhandelt und den Journalisten in einer Pressekonferenz Rede und Antwort gestanden. Dann ging es mit einer Polizei-Eskorte zur Synagoge. Für die Journalisten war es schwierig, so schnell hinterherzukommen. Im prachtvollen Saal wurde die Bundeskanzlerin bereits erwartet: Belgiens Vizepremier Didier Reynders vertrat den sozialistischen Regierungschef, der schon zur 150-Jahr-Feier der SPD abgereist war.
Diplomaten Auch Belgiens Verteidigungsminister Pieter De Crem war gekommen. Der Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, hatte ein Grußwort geschickt und ließ sich durch einen Kommissar vertreten. Außerdem waren etliche Diplomaten erschienen, darunter Berlins Botschafter in Belgien und der Ständige Vertreter Deutschlands bei der EU.
Rabbiner Pinchas Goldschmidt, in der Schweiz geboren, aber hauptberuflich Oberrabbiner von Moskau, hielt die Laudatio in mehreren Sprachen. Umgeben von zahlreichen Rabbinern aus ganz Europa, wies Goldschmidt zunächst auf die Parallelität des Weges von Angela Merkel und seines eigenen hin. Ihr Vater war als Pastor in die religionsfeindliche DDR gegangen, während er selbst in das damals neu entstandene Russland mit seinen ausgeprägten antireligiösen und antisemitischen Tendenzen kam.
Er hob dann das Besondere an der Entscheidung zur Preisverleihung hervor: »Es war keine leichte, aber eine richtige Entscheidung.« Die Kanzlerin stehe in einer Reihe mit allen Bundeskanzlern seit Konrad Adenauer, die immer ein enges Verhältnis zu Israel und zum Judentum gepflegt hätten.
Beschneidung Besonders hob Goldschmidt das klare Eintreten der Kanzlerin für das Recht zur Beschneidung in Deutschland hervor. Dies sei ein Kernelement des jüdischen Lebens. Im Vorfeld hatte es der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde von Brüssel, Philippe Markiewicz, so zusammengefasst: »Ohne Beschneidung hätte es auf Dauer kein jüdisches Leben mehr in Deutschland geben können. Und wenn es in Deutschland angefangen hätte, weiß man nicht, wie es in Europa weitergegangen wäre.«
Die Kanzlerin, die während der Zeremonie zwischen Markiewicz und der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, saß, ging in ihrer Dankesrede darauf ein: Es sei für sie klar gewesen, dass das Recht auf Beschneidung gesichert werden müsse. Das sei schon unter dem Gesichtspunkt der Religionsfreiheit geboten gewesen.
Natürlich müsse eine Diskussion auch über dieses Thema in einer Demokratie möglich sein. Sie habe es aber für bedenklich gehalten, dass in dieser Auseinandersetzung auch antisemitische Untertöne herauszuhören gewesen seien. Dem stellte sie ein klares Bekenntnis zur Besonderheit des deutsch-jüdischen Verhältnisses und der deutsch-israelischen Beziehungen entgegen.
Der Rabbi-Lord-Jacobovits-Preis erinnert an Immanuel Jakobovits (1921–1999), den früheren Oberrabbiner von Großbritannien, und wird seit 2012 vergeben. Im vergangenen Jahr ging er an Jerzy Buzek, den früheren Präsidenten des Europaparlaments.