Die Menschen hier sehen ihr Judentum ausdrücklich als Privatsache, als etwas, das man zu Hause praktiziert», sagt Chabad-Rabbiner Mendel Edelmann über die jüdische Gemeinde in Luxemburg. Edelmann stammt aus Paris und kam vor fünf Jahren gemeinsam mit seiner Frau Rochel ins Großherzogtum. Die kleine jüdische Gemeinschaft – rund 1.200 Menschen sollen es sein, offiziell zählt die Gemeinde 900 Mitglieder – ist in ihrer überwiegenden Mehrheit traditionell eingestellt, es gibt aber auch einige religiöse Familien. «Immer wieder kommt es vor, dass sich mir Menschen aufgrund meiner äußeren Erscheinung auf der Straße vorstellen und beispielsweise sagen: ›Guten Tag, ich wohne im Nebenhaus und bin auch jüdisch‹», sagt Edelman leicht belustigt.
Seitdem der Lubawitscher in Luxemburg wohnt, habe sich so manches verändert, ist von etlichen Gemeindemitgliedern zu hören. Wie in vielen anderen Städten wendet sich Chabad auch und vor allem an diejenigen, die mit offiziellen Gemeindestrukturen eher Mühe haben. Die Gemeinde sehe die Veränderung mit Interesse, sagt Dani Rosenfeld, Generalsekretär des Consistoire Israélite de Luxembourg, der offiziellen Vertretung der jüdischen Gemeinschaft im Lande: «Wir arbeiten durchaus da und dort einmal mit Chabad zusammen, wenn es sich ergibt.»
aufwind Rosenfeld spürt aber auch sonst Aufwind für die jüdische Gemeinschaft: «Dass in Luxemburg trotz Wirtschaftskrise immer noch sehr viele Jobs angeboten werden, vor allem im Banken- und Versicherungssektor, das kommt auch uns zugute», sagt er. Jüngere Familien, aber auch Singles, strömten ins Land und würden hier sesshaft – zumindest für einige Jahre. «Ich hatte eine tolle Zeit hier», sagt beispielsweise der 37-jährige Daniel aus Genf, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Vier Jahre lang arbeitete er in einer Luxemburger Bank. Er ist dennoch froh, wieder in die Schweiz zurückzukehren: «Die jüdische Szene hier ist doch sehr überschaubar.»
Neben seiner zentralen Lage – Paris, Brüssel und Frankfurt sind in wenigen Zugstunden bequem zu erreichen – hat der Kleinstaat Faktoren aufzuweisen, die heutzutage stark zählen: Sicherheit, Sauberkeit und eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Hinzu kommt: Luxemburg kennt keinen Antisemitismus – eine Aussage, die Rosenfeld ebenso bestätigt wie andere Juden, die man fragt. In einem Land, in dem rund 45 Prozent der Bevölkerung Ausländer sind und wo man sich (ungeachtet des trotzigen Landesmottos «Mir welle bleibe, wat mir seen», Hochdeutsch: «Wir wollen bleiben, was wir sind») wie kaum in einem anderen Staat der übernationalen Idee von Europa verschrieben habe, hätten judenfeindliche Gefühle eben keine Chance, bietet Rosenfeld als mögliche Erklärung an.
Einwanderung Die jüdischen Luxemburger «revanchieren» sich – und veranstalten am Nationalfeiertag des kleinen Landes, dem 24. Juni, in der Synagoge eine Feierstunde. Umgekehrt nahmen Großherzog Henri und seine Frau Maria Teresa im November 2008 an den Feierlichkeiten zum 200. Gründungsjahr des Consistoire teil. Dass den Juden hierzulande offenbar fast keine Animositäten entgegen gebracht werden, führt auch dazu, dass die jüdische Einwanderung vor allem aus Frankreich anhält: Die Sprache in der Gemeinde ist überwiegend Französisch. Der Chasan, beide Rabbiner und der Generalsekretär – alle stammen sie aus Frankreich.
Deutsch, eine der drei Landessprachen, ist in der jüdischen Gemeinde kaum zu hören. Das hat möglicherweise auch historische Gründe. Denn die jüdische Gemeinde von Luxemburg, so klein sie auch war, litt stark unter der Schoa: Von den rund 3.500 jüdischen Luxemburgern, die sich beim Einmarsch der Wehrmacht im Mai 1940 im Lande befanden hatten, überlebten nur etwa 1.500 den Holocaust. Immerhin sollen sich keine Luxemburger gefunden haben, das Morden zu erledigen, sondern dies mussten Hitlers deutsche Helfer besorgen.
Das Wüten der Nazis täuscht allerdings darüber hinweg, dass es in Luxemburg vor dem Zweiten Weltkrieg einen durchaus hausgemachten Antisemitismus gab. So erzählt beispielsweise der Schriftsteller Henry Miller in seinem Roman Stille Tage in Clichy von einem «judenreinen» Restaurant im Luxemburg der 30er-Jahre.
Zukunft Inzwischen hat die Gemeinde offenbar gelernt, mit diesem Teil der Geschichte zu leben und gleichzeitig in eine Zukunft zu sehen, die gar nicht so schlecht aussieht. Allerdings ist die koschere Infrastruktur weiterhin sehr bescheiden. Nur eine Bäckerei gibt es und ein paar kleinere Supermärkte. Das koschere Fleisch kaufen die religiösen Gemeindemitglieder im nahe gelegenen französischen Thionville. Im ganzen Land gibt es kein einziges Koscher-Restaurant, mangels potenzieller Kunden, wie man hört.
Trotzdem feiert das Judentum in Luxemburg eine zumindest bescheidene Renaissance. Und das gilt selbst für die kleine zweite Gemeinde des Landes, in Esch sur Alzette. Mit Nathan Alfred verfügt diese Stadt, in der gerade mal 15 jüdische Familien wohnen, seit einiger Zeit sogar über einen eigenen Rabbiner.
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