Interview

»Es ist absurd zu bestreiten, dass in Srebrenica ein Völkermord verübt wurde«

Wundert sich, dass das Auswärtige Amt über die von Gideon Greif geleitete Historikerkommission in Bosnien nicht im Bilde war: Damir Softic Foto: ©Bernhardt Link -Farbtonwerk

Herr Softic, der israelische Historiker Gideon Greif soll das Bundesverdienstkreuz bekommen. Dafür wird das Bundespräsidialamt nun massiv kritisiert. Wie bewerten Sie das?
Ich halte die angekündigte Ehrung für skandalös. Herr Greif leugnet den Völkermord an den bosnischen Muslimen in Srebrenica und hat im Juli als Chef einer angeblich unabhängigen Historikerkommission im Auftrag der nationalistischen Regierung der autonomen serbischen Teilrepublik Bosniens einen Bericht vorgelegt ist, der die historische Wahrheit manipuliert. Das ist nicht preiswürdig.

Warum hat das Auswärtige Amt Greif dennoch für den Verdienstorden vorgeschlagen? Vermuten Sie eher Unwissenheit oder gar Vorsatz?
Das kann ich schwer einschätzen. Ich würde zunächst mal keinen Vorsatz unterstellen. Sicher ist: Man hat die Sache im Auswärtigen Amt nicht gründlich genug geprüft. Das ist in jedem Fall traurig. Deutschland hat ja Diplomaten in Sarajewo, die Lageberichte schreiben. So etwas muss man auf dem Schirm haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man über dort über diese Srebrenica-Kommission nicht informiert war.

Das Massaker von Srebrenica liegt ein Vierteljahrhundert zurück, die Haupttäter wurden in Den Haag abgeurteilt. Trotzdem scheint bei dem Thema noch viel Unwissenheit oder bewusste Ignoranz vorhanden zu sein ...
Eigentlich ist da alles aufgearbeitet, muss man heute keine neue Debatte mehr darüber anzetteln. Aber die Politik - in diesem Fall konkret der politische Führer der serbischen Teilrepublik in Bosnien – zündelt und heizt die sowieso schon vorhandenen Spannungen zusätzlich an. Nicht nur die serbische, sondern auch die bosniakische und die kroatische Seite tragen eine Mitverantwortung, denn sie stellen sich meines Erachtens den nationalistisch-separatistischen Plänen nicht entschieden genug entgegen.

Nun wird ja auch international durchaus kontrovers diskutiert, ob man im Falle von Srebrenica von einem Genozid sprechen kann. Halten Sie diese Debatte für legitim?
Es ist absurd, in Abrede zu stellen, dass es sich in Srebrenica um einen Völkermord gehandelt hat. Darüber braucht man nicht mehr zu diskutieren. Manche Völkerrechtler fragen, ob es sich bei den bosnischen Muslimen um ein eigenes »Volk« gehandelt hat. Ich würde das aber nicht anzweifeln. Was die serbischen Führer unter Radovan Karadzic und Ratko Mladic damals von langer Hand geplant und dann in die Tat umgesetzt haben, war eindeutig ein Genozid. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat das in zahlreichen Urteilen so bestätigt.

Wie geht man dann mit einem Bericht wie dem der Historikerkommission von Gideon Greif um?
Da wird leider mit Begrifflichkeiten und Zahlen hantiert, um historische Tatsachen in einem falschen Licht erscheinen zu lassen. Natürlich gab es im Bürgerkrieg Täter und Opfer auf allen Seiten. Es wurden auch bosnische Politiker und Militärs in Den Haag vor Gericht gestellt. Aber die in Srebrenica von langer Hand vorbereiteten und von Karadzic und Mladic minutiös in die Tat umgesetzten Morde hatten eine ganz andere Qualität. Das war die planvolle Vernichtung einer bestimmten ethnischen Gruppe. Und da ist es schlicht irreführend, wenn die Gruppe um Herrn Greif die serbischen Opfer, die es unzweifelhaft gab, gegenrechnet.

Mit dem Vorsitzenden des Zentralrats von Bosnien-Herzegowina, Politikwissenschaftler und Unternehmer sprach Michael Thaidigsmann.

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