Wenn der Lehrstoff als Geschichte daherkommt, hören Schüler besser zu. »Erzählt ihnen Storys – und lasst sie selbst Storys erzählen!«, schärft Edward Serotta seinen Zuhörern ein. Der schlanke Mann Anfang 60 steht im Konferenzraum eines Berliner Hotels vor rund 30 Lehrern von jüdischen Schulen aus ganz Europa. Sie nehmen an einem zweitägigen Seminar teil. Serottas Organisation »Centropa« hat sie eingeladen, der Zentralrat der Juden unterstützt das Seminar, ebenso die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Lauder Foundation.
Centropa möchte »mit moderner Technik jüdische Erinnerung in Mittel-, Ost- und Südosteuropa bewahren«, steht auf der Webseite. Seit Serotta die Organisation vor zwölf Jahren in Wien gründete, haben Mitarbeiter nahezu 1300 alte jüdische Menschen interviewt. »Das tun andere Initiativen auch«, winkt Serotta ab, »aber wir befragen nicht Schoa-Überlebende über den Holocaust, sondern wir wollen alles wissen: Wie lebten ihre Familien, wer waren die Nachbarn, wie hieß der erste Freund?«
Multiplikatoren Mit dem Berliner Seminar möchte Centropa die Lehrer als Multiplikatoren gewinnen. Sie sollen ihren Schülern vermitteln, wie wichtig es ist, die eigene Geschichte zu erzählen. Die Lehrer schauen sich an diesen zwei Tagen Kurzfilme an, zum Beispiel über Sefarden auf dem Balkan und Jeckes in Tel Aviv. Dann entwerfen sie in kleinen Gruppen Unterrichtskonzepte und diskutieren darüber. Ganz beiläufig erfahren sie dabei auch einiges über andere jüdische Schulen. »Das war sehr interessant«, sagt eine Teilnehmerin aus Rumänien, »ich nehme einige Anregungen mit nach Hause.«
Serotta und sein junger Mitarbeiter Marcell Kenesei hören das gern. Kenesei möchte ein europäisches Netzwerk von Lehrern jüdischer Schulen aufbauen. Das Berliner Seminar soll eine Art Gründungstreffen sein. Kenesei ermuntert die Lehrer: »Tauscht Adressen aus und meldet euch bei Facebook an. Dann erfahren die anderen von euren Projekten und können davon lernen.«
Zum Schluss des Treffens bringt Serotta einen Gedanken in die Runde, den er schon länger verfolgt: »Was haltet ihr von der Idee eines Verbands jüdischer Schulen in Europa?«, fragt er die Teilnehmer. Die blicken aufgeschlossen, einige nicken. Ein Anfang ist gemacht.
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