Es sind dramatische Zahlen, die das American Jewish Committee (AJC) am Dienstag veröffentlicht hat. Laut einer Umfrage war jeder vierte Jude im vergangenen Jahr persönlich Zielscheibe von Antisemitismus.
VERHALTENSÄNDERUNG Eine weitere Erkenntnis der Studie: 90 Prozent der jüdischen Befragten sagten, Antisemitismus sei ein Problem in den USA. 40 Prozent meinten sogar, er stelle ein großes Problem dar. Fast zwei von fünf jüdischen Teilnehmern der Befragung gaben an, ihr Verhalten aus Angst vor Antisemitismus geändert zu haben. Dazu gehörte neben der Vermeidung von sichtbaren Symbolen wie dem Davidstern oder der Kippa in der Öffentlichkeit auch, dass die Betroffenen es vermieden, in den sozialen Netzwerken Dinge zu posten, die anderen Rückschlüsse auf ihre Religionszugehörigkeit erlauben könnte.
In der Umfrage, die von dem Marktforschungsunternehmen SSRS durchgeführt wurde, nahmen sowohl Juden als nichtjüdische Amerikaner im Alter von über 18 Jahren teil. Beide Gruppen wurden zu ihren Wahrnehmungen und Erfahrungen mit Antisemitismus in den vergangenen zwölf Monaten befragt.
Die Umfrage ergab, dass 41 Prozent aller Befragten im vergangenen Jahr persönlich Zeugen eines antisemitischen Vorfalls waren, wobei knapp ein Drittel sogar mehr als einen solchen Vorfall persönlich miterlebte oder bemerkte. Nur einer von 20 solcher judenfeindlichen Vorfälle wurde laut der Befragung der Polizei gemeldet.
BRENNPUNKT CAMPUS Dabei war die Wahrnehmung des Problems bei Juden und Nichtjuden sehr unterschiedlich. Während unter den jüdischen Befragten mehr als 80 Prozent angaben, der Judenhass habe in den USA in den vergangenen fünf Jahren signifikant zugenommen, teilten bei den übrigen Umfrageteilnehmern nur 44 Prozent diese Ansicht. Rund ein Drittel der nichtjüdischen Befragten wusste mit dem Begriff »Antisemitismus« nichts anzufangen.
AJC-Geschäftsführer David Harris sagte, die »Tatsache, dass jeder vierte amerikanische Jude allein im letzten Jahr Zielscheibe von Antisemitismus war und dass vier von zehn Maßnahmen ergriffen haben, um ihr Jüdischsein zu verbergen oder ihre Aktivitäten einzuschränken, sollte alle Amerikaner alarmieren«.
Ein besonderes Problem besteht demnach an den Hochschulen und Universitäten des Landes. Eine Umfrage der Anti-Defamation League (ADL) und des jüdischen Studentenverbandes Hillel, die ebenfalls am Dienstag veröffentlicht wurde, zeichnet ein ähnliches Bild. Demnach fühlten sich ein Drittel aller jüdischen Studierenden in den vergangenen Monaten direkt von Antisemitismus betroffen, vier Fünftel von ihnen sogar mehr als nur einmal. Auch hier werden die meisten Vorfälle nicht an die zuständigen Stellen gemeldet.
»Jüdische Studenten sind auf dem Campus mehr mit Antisemitismus und Hass konfrontiert, als wir bisher dachten«, erklärte ADL-Geschäftsführer Jonathan Greenblatt. mth