Vor knapp einem Jahr beschloss das österreichische Parlament, Nachfahren von während des Dritten Reiches verfolgten Staatsbürgern der Alpenrepublik die Einbürgerung zu erleichtern. Damit sollten vor allem jene Personen Anspruch auf einen österreichischen Pass bekommen, deren Vorfahren mütterlicherseits während der NS-Zeit verfolgt wurden.
Bislang waren vor September 1983 geborene Kinder, Enkel und Urenkel von österreichischen Müttern, die von den Nazis ausgebürgert worden waren, vom Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen.
FRIST Diese Frist wird nun bis 15. Mai 1955 ausgedehnt. Das bedeutet, dass Nachkommen von Personen, vor diesem Datum Österreich verließen, künftig ebenfalls berechtigt sind, die österreichische Staatsangehörigkeit zu erlangen. In diesem Personenkreis sind viele jüdische KZ-Überlebende sowie deren Kinder, Enkel und Urenkel.
Informierten Kreisen zufolge geht die österreichische Regierung von mehreren Zehntausend Anträgen aus.
Darüber hinaus werden auch Angehörige von Staaten von dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht erfasst, die auf dem Gebiet der 1918 untergegangenen österreichisch-ungarischen Monarchie ansässig waren, wenn sie vor ihrer Verfolgung durch die Nazis den Hauptwohnsitz auf dem Gebiet der Republik Österreich hatten. Damals sind auch Juden, die vor 1938 in Österreich lebten, aber keine Staatsbürger der Alpenrepublik waren, eingeschlossen.
ANTRÄGE Adolf Hitler hatte am 13. März 1938 den »Anschluss« seiner Heimat Österreich an das Deutsche Reich verkündet und Truppen einmarschieren lassen. Rund zwei Drittel der knapp 200.000 österreichischen Juden flohen daraufhin vor den Nazis, 65.000 von ihnen wurden ermordet.
Nach Kriegsende wurde das Land zehn Jahre lang von den alliierten Siegermächten verwaltet. Erst im Mai 1955 erlangte es seine volle Souveränität zurück.
Anträge für den österreichischen Pass können mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. September 2020 eingereicht werden. Für Antragsteller, die im Ausland geboren wurden und bislang nicht in Österreich residieren, ist die Landesregierung Wien für das Einbürgerungsverfahren zuständig. Informierten Kreisen zufolge geht die österreichische Regierung von mehreren Zehntausend Anträgen aus.
DOPPELPASS Zwar bestand bislang schon die Möglichkeit für Nachkommen von österreichischen NS-Opfern, einen Antrag auf Feststellung der Staatsbürgerschaft zu stellen. Allerdings musste dies oft aufwendig geprüft werden und war sehr langwierig.
Zudem wird mit dem neuen Recht ausdrücklich die Möglichkeit eines Doppelpasses gewährt, was vor allem für Nicht-EU-Bürger, die einen österreichischen Pass beantragen, von Bedeutung sein könnte.
Ihren Wohnsitz müssen die Neubürger übrigens nicht im Land selbst nehmen, sodass anzunehmen ist, dass für viele der neue österreichische Pass in erster Linie eine Reiseerleichterung darstellen wird.