»Die Deutschen bauen sich ein schickes Holocaustmahnmal in Berlin und denken, damit ist die Sache erledigt«, empört sich Marek Bem, der langjährige Leiter der Gedenkstätte Sobibor in Südostpolen. »Für die eigentlichen Mordstätten irgendwo in den Sümpfen Osteuropas interessiert sich kein deutscher Kanzler, kein Politiker und kein Botschafter.«
Vor wenigen Tagen musste Bem die Ausstellung »Vernichtungslager Sobibor« schließen. Vier Mitarbeiter der Gedenkstätte wurden entlassen. Es ist kein Geld mehr da. Zwar hatte das Kulturministerium in Warschau versprochen, die Gedenkstätte zum 1. Mai zu übernehmen, machte aber einen Rückzieher, als die Kreisverwaltung in Wlodawa die Rechnung für die Investitionen der letzten Jahre auf den Tisch legte.
Blockhaus »Wenn wir hier ein paar Monate lang keinen Handschlag tun, holt sich die Natur das Gelände zurück«, erklärt Bem. »Dann wird es hier nur noch Wald und Sumpf geben.« Als Zeuge des Massenmords an über 200.000 Juden würde allein das rostige Schild »Sobibor« an der Bahnrampe bleiben. Verschwinden würden die Mahnmale auf dem zehn Hektar großen Gelände, die sorgsam immer wieder mit Kies aufgeschütteten Wege durch den Sumpf, am Ende auch das Blockhaus mit der ständigen Ausstellung. Schlimm sei dies besonders für die wenigen Überlebenden und die Angehörigen der Opfer. »Sie kommen hierher, um der Toten zu gedenken. Wir Polen, die wir da leben, wo die Nazis ihre Vernichtungslager betrieben haben, stehen den Opfern gegenüber in der Verantwortung.«
Geplant ist jetzt eine völlig neu gestaltete Gedenkstätte, die – anders als bisher – mit dem Regionalmuseum von Wlodawa nichts mehr zu tun hat. Doch dafür sind erheblich mehr Mittel erforderlich, als sie der Kreis jemals aufbringen könnte.
Übernahme Piotr Zuchowski, im Warschauer Kulturministerium für den Denkmalschutz zuständig und folglich für das Desaster verantwortlich, ist für Journalisten nicht zu sprechen. »Wir sagen nicht mehr, als bereits auf der Website des Ministeriums steht«, teilt die Pressesprecherin mit. Dort allerdings ist lediglich eine lakonische Mitteilung zu lesen: Der Staat beabsichtige nunmehr, die Gedenkstätte Sobibor zum 1. Januar 2013 zu übernehmen.
Dariusz Pawlos, der Direktor der Stiftung für Deutsch-Polnische Aussöhnung, hofft, dass sich die finanziellen Probleme bald lösen lassen. »Erst neuere Forschungen haben gezeigt, wo die Asche der Opfer in Sobibor wirklich liegt«, begründet er, warum es aus seiner Sicht weitergehen muss. Viele Wege in der Gedenkstätte, die zu den Denkmalen führen, befinden sich über Ascheschichten. »Das darf so nicht sein. Wir müssen genau wissen, wo die Gaskammern und Krematorien waren. Wir müssen wissen, wo die Ascheberge sind.«
Die teuren Forschungen mit Bodenaufnahmen aus der Luft und archäologischen Grabungen hätten bereits begonnen. Sie würden von Polen, Israel, den Niederlanden und der Slowakei finanziert. »Die deutsche Regierung wurde bislang gar nicht gefragt«, so Pawlos. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich ebenfalls an dem Erinnerungsprojekt beteiligen würde. In Sobibor wurden ja auch deutsche Juden ermordet.« Im Oktober 2013, zum 70. Jahrestag des Aufstandes im KZ und seiner anschließenden Liquidierung im Oktober 1943, könnten die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann soll die Gedenkstätte neu eröffnet werden.