Schweiz

Endstation Basel

Der Badische Bahnhof in Basel Foto: dpa

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Endstation Basel

Auf dem deutschen Bahnhof der Stadt misslangen nach Kriegsbeginn 1939 viele jüdische Fluchtversuche

von Peter Bollag  25.08.2014 18:39 Uhr

September 1939, einige Tage nach Kriegsbeginn: Der Schweizer General Henri Guisan stattet der »Frontstadt« Basel einen symbolträchtigen Besuch ab. Die Grenzstadt, die bei einem deutschen Einmarsch nicht verteidigt worden wäre, soll vom obersten Soldaten offenbar aufgemuntert werden.

Einen Bogen macht Guisan aber um den deutschen Bahnhof, den Badischen Bahnhof, wie er in Basel genannt wird. Damit erspart sich Guisan den Blick auf einen Bau, der ihm wohl einige Sorgen bereitet hat in jenen ersten Kriegstagen: Die Nazis hatten den Bahnhof nämlich in den Jahren vor dem Weltkrieg heimlich in eine Art deutsches Aufmarschgebiet verwandelt. Er war Stützpunkt und Spionagenest zugleich.

So arbeiten bei Kriegsausbruch 1939 etwa 600 Deutsche im Bahnhof – »ausnahmslos treue und ergebene Parteimitglieder«, sagt der Basler Historiker Oswald Inglin, der sich intensiv mit dem Bahnhof befasst hat. In den Kellern des riesigen Gebäudekomplexes habe man Wehrsportübungen und Parteiversammlungen durchgeführt. »Vielsagend ist sicher, dass nicht einer dieser 600 Reichsbahn-Angestellten zur Wehrmacht eingezogen wurde, als der Krieg ausbrach«, sagt Inglin. Dies sei ein Indiz dafür, dass diese Leute im Falle einer Besetzung der Schweiz durch Nazi-Deutschland hätten mithelfen sollen.

J-Stempel Aus jüdischer Sicht hat der Bahnhof, dessen 100. Geburtstag vor einem Jahr groß gefeiert wurde, noch andere, ebenfalls sehr düstere Seiten: So spielten sich nach der Reichspogromnacht im November 1938 rund um den Bahnhof dramatische Szenen ab. Einerseits versuchten einige Juden verzweifelt, legal aus Deutschland auszureisen, andererseits sorgte der im August 1938 auf Initiative der Schweiz eingeführte J-Stempel in den Pässen dafür, dass es fast nur noch illegale Einreisen gab.

Die Schweizer Jüdische Flüchtlingshilfe versuchte, möglichst viele Menschen ins Land zu holen – und nutzte zum Teil auch die komplizierten Strukturen rund um den Badischen Bahnhof, der als einziger der Welt nicht auf dem Territorium des Landes steht, zu dem er gehört. So sah die Praxis des Grenzkantons Basel-Stadt in jenen Jahren vor, dass Personen im Grenzbereich, also auch auf der deutschen Seite des Bahnhofs, zurückzuweisen sind. Wer es jedoch irgendwie in die Bahnhofshalle (die zur Schweiz gehört) schaffte, konnte von Freunden oder Verwandten mit Papieren und Geld versorgt werden. Doch diese Flucht in die Freiheit gelang nicht vielen. Nach Kriegsbeginn war das Bahnhofsgelände Sperrgebiet und hermetisch von der Schweiz abgeriegelt.

KZ-Häftlinge In den Kriegsjahren seien über die Gleise des Bahnhofs mit Sicherheit auch Transporte von KZ-Häftlingen gegangen, sagt Historiker Inglin: »Anwohner haben wohl immer wieder auch Hilfeschreie vernommen.«

Dass der Badische Bahnhof während der Nazizeit ein besonderer Ort war, zeigte sich bereits am 15. März 1933, als der sogenannte Flaggenerlass im Reich umgesetzt wurde: Die Hakenkreuzfahne war ab sofort offizielles Staatsemblem – und wehte mitten in Basel auf dem Badischen Bahnhof, der zwar völlig von der neutralen Schweiz umschlossen ist, aber als deutsches Hoheitsgebiet gilt.

Doch die Nazifahne wehte nicht lange: Nach einigen Stunden beschlossen 300 Basler Kommunisten, das verhasste Stück Stoff herunterzuholen. Weil das Hissen der Fahne mit Billigung der Schweizer Regierung geschah, musste die Basler Polizei einschreiten – und lieferte sich mit den Linken eine Straßenschlacht mit vielen Verletzten.

Vom Turm geholt wurde die Nazifahne dann nicht etwa erst wieder 1945, sondern bereits 1941, als die Schweizer Regierung trotz der Angst vor einem Einmarsch der Wehrmacht ein Zeichen gegen die Unterwanderung des Landes setzen wollte – und die Hakenkreuzfahne nicht mehr duldete. Nach 1945 verwandelte sich der Bahnhof wieder in eine zivile Anlage – seine düstere Seite bleibt jedoch bis heute präsent, wenn auch nur äußerlich.

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

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