Anfang der 1940er Jahre konnte eine Frau im amerikanischen Kino sehr, sehr cool sein: Da gab es Gangsterbräute, schlagfertige Komödiantinnen - und schließlich die fatalen Verführerinnen in den düsteren Krimis der sogenannten Schwarzen Serie. Lauren Bacall (1924-2014) war eine der stärksten Repräsentantinnen dieser Ära: Ihre spezielle Mischung aus Eleganz und Lässigkeit, verhaltenem Sex-Appeal und provozierendem Witz mutet noch heute großstädtisch und modern an. Lauren Bacall war ein New-York-City-Girl.
Als sie 1944 in Howard Hawks‹ Hemingway-Verfilmung »Haben und Nichthaben« zum ersten Mal auf der Leinwand erschien, war ein neuer Typ geboren. Die Art der gerade mal 20-Jährigen, mit gesenktem Kopf und schmalen Augen weitreichende Andeutungen zu machen, trug ihr die Bezeichnung »The Look« (Der Blick) ein.
Vor 100 Jahren, am 16. September 1924, kam sie zur Welt und gilt heute als Hollywood-Legende. Betty Joan Perske, so ihr bürgerlicher Name, wuchs als einziges Kind eines Verkäufers und einer Sekretärin im New Yorker Stadtteil Bronx auf, ihre Vorfahren waren jüdische Immigranten aus Europa. Entdeckt wurde sie als Model auf dem Titelbild der Zeitschrift »Harper’s Bazaar«, als das Ehepaar Hawks eine Partnerin für Humphrey Bogart in »Haben und Nichthaben« suchte.
Ihre Vorfahren waren jüdische Immigranten aus Europa
Das Zusammentreffen von Bogart und Bacall war ein Glücksfall der Filmgeschichte. In vier Thrillern entfaltete das Paar eine unverwechselbare Chemie: Auf »Haben und Nichthaben« folgten die klassische Raymond-Chandler-Verfilmung »Tote schlafen fest«, »Das unbekannte Gesicht« und »Gangster in Key Largo«. Die beiden Stars entwickelten eine ausgesprochen emanzipierte, untergründig erotische Film-Beziehung, die auf Bacalls Seite von einer ebenso graziösen wie nonchalanten Körpersprache gestützt wurde.
Der Funke zwischen Bacall und dem 25 Jahre älteren Bogart war schnell auch im Privatleben übergesprungen: Sie heirateten 1945, bekamen zwei Kinder und führten bis zu Bogarts Krebstod 1957 eine Ehe, die im flatterhaften Showbiz als vorbildlich galt und offenbar von gemeinsamen Überzeugungen getragen war - so protestierten die beiden vehement gegen die »Schwarzen Listen« in der McCarthy-Ära, mit denen vermeintliche Kommunisten verunglimpft wurden. 2023 wurden die Eheringe von Bacall und Bogart für fast 200.000 Dollar versteigert.
Nicht ganz so glücklich verlief die Partnerschaft mit dem auf die zeittypischen Krimis spezialisierten Warner Studio. Nachdem sie einige Rollen abgelehnt hatte, überwarf sich Bacall mit Warner. In den 1950ern wurde sie gewissermaßen zur Freiberuflerin und wechselte mit den Studios auch die Rollenfächer. So war sie etwa in den Society-Komödien »Wie angelt man sich einen Millionär« (1953) und »Warum hab ich ja gesagt!« (1957), aber auch in Melodramen unter der Regie von Vincente Minelli (»The Cob Web«, 1955) oder Douglas Sirk (»In den Wind geschrieben«, 1956) zu sehen.
Sie drehte »Mord im Orient-Express« und wechselte zum Broadway, wo sie Triumphe feierte
Nach Bogarts Tod heiratete Bacall zum zweiten Mal - die Ehe mit dem Schauspielerkollegen Jason Robards (»Spiel mir das Lied vom Tod«), Vater ihres Sohnes Sam, scheiterte nach wenigen Jahren. Sie drehte 1974 »Mord im Orient-Express« und wechselte zum Broadway, wo sie in Erfolgsstücken wie »Die Kaktusblüte« Triumphe feierte.
Im Kino war die Schauspielerin, deren Autobiografie »Lauren Bacall by Myself« die Kritik durch einen angenehm unprätentiösen Tonfall bestach, noch lange präsent, wenn auch nicht alle ihrer Filme das deutsche Publikum erreichten. 2003 und 2005 stand sie für den renommierten und umstrittenen Arthouse-Regisseur Lars von Trier in »Dogville« und »Manderlay« von der Kamera. 2009 erhielt sie einen Ehren-Oscar für ihr Lebenswerk.
Unter der Regie von Paul Schrader spielte sie 2007 in »Walker«, da war sie schon über 80. Immer wieder war ihre berühmte, rauchige Stimme zu hören - wie in dem japanischen Animationsfilm »Das wandelnde Schloss« oder in der kultigen TV-Serie »Family Guy«. Sie starb am 12. August 2014, kurz vor ihrem 90. Geburtstag, an den Folgen eines Schlaganfalls.