Amerika hat es nicht leicht mit seinen Präsidentschaftskandidaten. Das gilt auch für die jüdischen. Bernie Sanders verwirrte mit etlichen Ansichten zu Israel, schied dann aber aus dem Rennen ums Weiße Haus aus. Jill Stein hingegen, die 66-jährige Ärztin aus Chicago, die für die Green Party ins Rennen geht, ist noch dabei und macht mit anti-israelischen Positionen von sich reden.
»Die Jill-Stein-Kampagne unterstützt (die Anti-Israel-Boykott-Bewegung) BDS als eine friedliche, gewaltfreie Form des Widerstandes der weltweiten Zivilgesellschaft, um Israels Apartheid, Besatzung, Kriegsverbrechen und systematische Menschenrechtsverletzungen zu beenden.« Dieses Zitat findet sich auf der offiziellen Wahlkampfseite von Stein im Internet (www.jill2016.com).
apartheid Weiter heißt es: »Was Israel anbelangt, haben die USA die schlimmsten Absichten der israelischen Regierung befördert, nämlich deren Politik der Besatzung, Apartheid, des Mordens, illegaler Siedlungen, der Zerstörung palästinensischer Häuser, Blockaden, Bau von Atombomben, unbegrenzter Inhaftierung, Verletzung internationalen Rechts etc. Anstatt sich mit den mutigen Vertretern von Frieden und Menschenrechten in Palästina und Israel zu verbünden, belohnt unsere Regierung diejenigen, die dauerhaft die Menschenrechte verletzen.«
Dieses Statement veröffentlichte die Stein-Kampagne just einen Tag, nachdem New Yorks Gouverneur Mario Cuomo ein Gesetz erlassen hatte, das alle staatlichen Stellen anweist, die öffentliche Förderung von BDS-Aktivitäten zu beenden.
Stein ficht Cuomos Gesetz nicht an, im Gegenteil. Sie fordert, die Zahlungen an Israel einzustellen, solange die Besatzung dort anhalte. Ihre radikalen Positionen zu Israel scheinen in den USA zwar nicht mehrheitsfähig, schon gar nicht für die auch nach europäischen Maßstäben sehr linke Kandidatin einer Splitterpartei, denn das sind die Grünen in den Vereinigten Staaten. Doch könnte Stein Hillary Clinton durchaus noch gefährlich werden.
Denn laut Umfragen liegt die Grünen-Politikerin derzeit bei drei bis fünf Prozent der Wählerstimmen. Dies ist mehr als der aktuelle Abstand zwischen Hillary Clinton und Donald Trump, der Anfang dieser Woche 2,2 Prozent betrug. Da Jill Stein dem progressiven Lager zuzurechnen ist, gehen Wählerstimmen für sie automatisch zulasten von Clinton. Stein könnte also letztlich zur Königsmacherin für Trump werden.
Biografie Woher kommt Steins radikale Haltung gegenüber Israel? Aus ihrer Biografie erschließt sie sich nicht unmittelbar. Jill Stein wurde 1950 in Chicago geboren und wuchs in Highland Park, einem Vorort der Metropole, auf. Ihre Großeltern waren Einwanderer aus Russland. Zehn Jahre lang ging Jill Stein, so schilderte sie es 2012 in einem Interview mit dem Magazin Forbes, zur Sonntagsschule der reformjüdischen North Shore Congregation Israel im Nachbarort Glencoe. Die Tatsache, dass das Reformjudentum stark auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist, so Stein weiter, habe einen »großen Einfluss« auf ihren politischen Werdegang gehabt.
Als Heranwachsende »wurden mir die Werte des Alten Testaments, die goldene Regel geradezu eingehämmert«, sagt sie in dem Interview. »Meine Eltern gehörten der Holocaust-Generation an. Meine Mutter hat mir vor allem vermittelt, soziale Verantwortung zu übernehmen, und mir deutlich gemacht, wie wichtig es ist, das Wort zu erheben, wenn man merkt, dass etwas im eigenen Umfeld nicht stimmt.«
Stein, die heute nach eigener Aussage in einer interreligiösen Familie lebt, erzählt in dem Forbes-Interview weiter, »ihre Beziehung zum organisierten Judentum« sei zu Ende gegangen, als ihre Mutter 2010 starb.
Jill Stein ist promovierte Fachärztin für innere Medizin. 25 Jahre praktizierte sie an unterschiedlichen Kliniken und lehrte an der Harvard Medical School. Schon in den 90er-Jahren wurde sie zusehends zur Aktivistin. Sie kämpfte für Umweltpolitik und Sozialreformen – und trat gemeinsam mit dem Gitarristen und Sänger Ken Selcer als Folkrock-Duo »Somebody’s Sister« auf.
FEstnahme 2002 wurde Stein bei den Gouverneurswahlen in Massachusetts Gegenkandidatin von Mitt Romney. Zehn Jahre später nahm sie erstmals den Kampf ums Weiße Haus auf. Mehr als durch politische Arbeit sorgte sie allerdings durch eine Aktion für Aufsehen, die ihr eine Festnahme einbrachte. Sie war der Meinung, sie müsse bei der »Presidential Debate«, dem Kandidaten-Schlagabtausch im Fernsehen, dabei sein.
Das ist nach amerikanischer Rechtsprechung aber nur Kandidaten möglich, die in den Umfragen auf mindestens 15 Prozent kommen – ein Wert, den Stein zu keiner Zeit erreichte. Dennoch versuchte sie, sich mit ihrer Vizepräsidentschaftskandidatin Cheri Honkala Zutritt zur zweiten Debatte zwischen Barack Obama und Mitt Romney in der Hofstra University auf Long Island zu verschaffen. Sie wurde abgeführt und wegen »groben Unfugs« belangt.
In der Politik verbreitet Stein jedoch weiterhin ungehindert ihre israelfeindlichen Thesen. Trotz ihrer Ansichten ist sie immer noch die Frau, die in der Geschichte der USA bei Präsidentschaftswahlen die meisten Stimmen erhielt: 469.501 oder 0,36 Prozent. Diesen Rekord, so viel ist vor dem Duell zwischen Clinton und Trump so gut wie sicher, wird Jill Stein an Hillary Clinton abgeben müssen.