USA

Eine Kandidatin kämpft gegen Israel

Jill Stein, die Präsidentschaftskandidatin der Green Party, unterstützt die BDS-Bewegung

von Daniel Killy  12.09.2016 19:30 Uhr

Fordert, die amerikanischen Zahlungen an Israel einzustellen: Jill Stein (66) Foto: imago

Jill Stein, die Präsidentschaftskandidatin der Green Party, unterstützt die BDS-Bewegung

von Daniel Killy  12.09.2016 19:30 Uhr

Amerika hat es nicht leicht mit seinen Präsidentschaftskandidaten. Das gilt auch für die jüdischen. Bernie Sanders verwirrte mit etlichen Ansichten zu Israel, schied dann aber aus dem Rennen ums Weiße Haus aus. Jill Stein hingegen, die 66-jährige Ärztin aus Chicago, die für die Green Party ins Rennen geht, ist noch dabei und macht mit anti-israelischen Positionen von sich reden.

»Die Jill-Stein-Kampagne unterstützt (die Anti-Israel-Boykott-Bewegung) BDS als eine friedliche, gewaltfreie Form des Widerstandes der weltweiten Zivilgesellschaft, um Israels Apartheid, Besatzung, Kriegsverbrechen und systematische Menschenrechtsverletzungen zu beenden.« Dieses Zitat findet sich auf der offiziellen Wahlkampfseite von Stein im Internet (www.jill2016.com).

apartheid Weiter heißt es: »Was Israel anbelangt, haben die USA die schlimmsten Absichten der israelischen Regierung befördert, nämlich deren Politik der Besatzung, Apartheid, des Mordens, illegaler Siedlungen, der Zerstörung palästinensischer Häuser, Blockaden, Bau von Atombomben, unbegrenzter Inhaftierung, Verletzung internationalen Rechts etc. Anstatt sich mit den mutigen Vertretern von Frieden und Menschenrechten in Palästina und Israel zu verbünden, belohnt unsere Regierung diejenigen, die dauerhaft die Menschenrechte verletzen.«

Dieses Statement veröffentlichte die Stein-Kampagne just einen Tag, nachdem New Yorks Gouverneur Mario Cuomo ein Gesetz erlassen hatte, das alle staatlichen Stellen anweist, die öffentliche Förderung von BDS-Aktivitäten zu beenden.

Stein ficht Cuomos Gesetz nicht an, im Gegenteil. Sie fordert, die Zahlungen an Israel einzustellen, solange die Besatzung dort anhalte. Ihre radikalen Positionen zu Israel scheinen in den USA zwar nicht mehrheitsfähig, schon gar nicht für die auch nach europäischen Maßstäben sehr linke Kandidatin einer Splitterpartei, denn das sind die Grünen in den Vereinigten Staaten. Doch könnte Stein Hillary Clinton durchaus noch gefährlich werden.

Denn laut Umfragen liegt die Grünen-Politikerin derzeit bei drei bis fünf Prozent der Wählerstimmen. Dies ist mehr als der aktuelle Abstand zwischen Hillary Clinton und Donald Trump, der Anfang dieser Woche 2,2 Prozent betrug. Da Jill Stein dem progressiven Lager zuzurechnen ist, gehen Wählerstimmen für sie automatisch zulasten von Clinton. Stein könnte also letztlich zur Königsmacherin für Trump werden.

Biografie Woher kommt Steins radikale Haltung gegenüber Israel? Aus ihrer Biografie erschließt sie sich nicht unmittelbar. Jill Stein wurde 1950 in Chicago geboren und wuchs in Highland Park, einem Vorort der Metropole, auf. Ihre Großeltern waren Einwanderer aus Russland. Zehn Jahre lang ging Jill Stein, so schilderte sie es 2012 in einem Interview mit dem Magazin Forbes, zur Sonntagsschule der reformjüdischen North Shore Congregation Israel im Nachbarort Glencoe. Die Tatsache, dass das Reformjudentum stark auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist, so Stein weiter, habe einen »großen Einfluss« auf ihren politischen Werdegang gehabt.

Als Heranwachsende »wurden mir die Werte des Alten Testaments, die goldene Regel geradezu eingehämmert«, sagt sie in dem Interview. »Meine Eltern gehörten der Holocaust-Generation an. Meine Mutter hat mir vor allem vermittelt, soziale Verantwortung zu übernehmen, und mir deutlich gemacht, wie wichtig es ist, das Wort zu erheben, wenn man merkt, dass etwas im eigenen Umfeld nicht stimmt.«

Stein, die heute nach eigener Aussage in einer interreligiösen Familie lebt, erzählt in dem Forbes-Interview weiter, »ihre Beziehung zum organisierten Judentum« sei zu Ende gegangen, als ihre Mutter 2010 starb.

Jill Stein ist promovierte Fachärztin für innere Medizin. 25 Jahre praktizierte sie an unterschiedlichen Kliniken und lehrte an der Harvard Medical School. Schon in den 90er-Jahren wurde sie zusehends zur Aktivistin. Sie kämpfte für Umweltpolitik und Sozialreformen – und trat gemeinsam mit dem Gitarristen und Sänger Ken Selcer als Folkrock-Duo »Somebody’s Sister« auf.

FEstnahme 2002 wurde Stein bei den Gouverneurswahlen in Massachusetts Gegenkandidatin von Mitt Romney. Zehn Jahre später nahm sie erstmals den Kampf ums Weiße Haus auf. Mehr als durch politische Arbeit sorgte sie allerdings durch eine Aktion für Aufsehen, die ihr eine Festnahme einbrachte. Sie war der Meinung, sie müsse bei der »Presidential Debate«, dem Kandidaten-Schlagabtausch im Fernsehen, dabei sein.

Das ist nach amerikanischer Rechtsprechung aber nur Kandidaten möglich, die in den Umfragen auf mindestens 15 Prozent kommen – ein Wert, den Stein zu keiner Zeit erreichte. Dennoch versuchte sie, sich mit ihrer Vizepräsidentschaftskandidatin Cheri Honkala Zutritt zur zweiten Debatte zwischen Barack Obama und Mitt Romney in der Hofstra University auf Long Island zu verschaffen. Sie wurde abgeführt und wegen »groben Unfugs« belangt.

In der Politik verbreitet Stein jedoch weiterhin ungehindert ihre israelfeindlichen Thesen. Trotz ihrer Ansichten ist sie immer noch die Frau, die in der Geschichte der USA bei Präsidentschaftswahlen die meisten Stimmen erhielt: 469.501 oder 0,36 Prozent. Diesen Rekord, so viel ist vor dem Duell zwischen Clinton und Trump so gut wie sicher, wird Jill Stein an Hillary Clinton abgeben müssen.

Gerichtsurteil

Haftstrafen für Gewalt gegen Israelis in Amsterdam

In digitalen Chat-Gruppen war der Anklage zufolge zu einer »Jagd auf Juden« aufgerufen worden

 24.12.2024

Kanada

Jüdische Mädchenschule in Toronto zum dritten Mal beschossen

Auch im vermeintlich sicheren Kanada haben die antisemitischen Angriffe extrem zugenommen - und richten sich sogar gegen Kinder

 23.12.2024

Bulgarien

Kurzer Prozess in Sofia

Der jüdische Abgeordnete Daniel Lorer wurde von seiner Partei ausgeschlossen, weil er nicht zusammen mit Rechtsextremisten stimmen wollte

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Großbritannien

Gerechtigkeit und jüdische Werte

Sarah Sackman wurde als frisch gewählte Abgeordnete zur Justiz-Staatsministerin ernannt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  23.12.2024

Spanien

Tod in den Bergen

Isak Andic, Gründer der Modekette Mango und Spross einer sefardischen Familie aus der Türkei, kam bei einem Familienausflug ums Leben

von Michael Thaidigsmann  23.12.2024

Australien

»Juden raus«-Rufe vor Parlament in Melbourne

Rechtsextremisten haben vor dem Regionalparlament in Melbourne antisemitische Parolen skandiert

 23.12.2024

Guatemala

Rund 160 Kinder vor ultraorthodoxer Sekte gerettet

Laut Behördenangaben wurden auf dem Gelände von »Lev Tahor« mutmaßliche sterbliche Überreste eines Kindes gefunden

 22.12.2024

Analyse

Putins antisemitische Fantasien

Der russische Präsident ist enttäuscht von der jüdischen Diaspora im Westen und von Israel

von Alexander Friedman  22.12.2024

Diplomatie

Israel und Irland: Das Tischtuch ist zerschnitten

Politiker beider Länder überhäufen sich mit Vorwürfen. Wie konnte es so weit kommen?

von Michael Thaidigsmann  18.12.2024