Vergangene Woche hat in Frankreich zum ersten Mal das neu gewählte Parlament getagt. Es war eine Sitzung mit mehreren Premieren: höchste Frauenquote, größter Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund und eine israelische Repräsentantin für im Ausland lebende Franzosen.
Daphna Poznanski-Benhamou war bei den Parlamentswahlen für die Sozialisten ins Rennen gegangen und gewann, unter anderem dank ihrer gelungenen Internetkampagne, überraschend den neu geschaffenen achten Wahlkreis. Dieser repräsentiert Franzosen, die in Israel, Zypern, Griechenland, Italien, Malta, San Marino, dem Vatikan und in der Türkei leben.
Anschlag Die 62-jährige Juristin und Mutter dreier Kinder ist in Oran geboren, floh während des Algerienkrieges mit ihren Eltern nach Frankreich und begann 1979 schließlich ein neues Leben in Israel. Ausgelöst wurde ihr Wunsch auszuwandern durch einen rechtsextremen Anschlag auf einen jüdischen Kindergarten in Nizza, der ihr Vertrauen in die französischen Behörden und die Gesellschaft erschütterte. Ihre Liebe zu Frankreich blieb dennoch intakt. Seit mehr als 20 Jahren engagiert sie sich in verschiedenen Vereinigungen für ausgewanderte Franzosen; seit 2001 ist sie Vizepräsidentin der »Versammlung der im Ausland lebenden Franzosen«.
Auch in ihrer neuen Funktion als Parlamentarierin will sie nicht speziell Israel vertreten, sondern alle in den Ländern ihres Wahlkreises ansässigen Franzosen. Unmittelbar nach ihrer Wahl erklärte sie in einem Radio-Interview, dass diese »zu 90 Prozent genau dieselben Probleme haben, wie die in Frankreich lebenden Franzosen«. Als Herausforderung sieht sie die Tatsache, dass Israel und die Türkei nicht zur EU gehören und daher bei bestimmten Themen, wie etwa der Sozialhilfe, völlig anderen Gesetzesgrundlagen unterliegen. Poznanski-Benhamou hat sich vorgenommen, jeden Monat zwei Wochen an den Parlamentssitzungen teilzunehmen, einen Großteil des restlichen Monats in Israel zu verbringen und anschließend einem anderen Land ihres Wahlkreises einen Besuch abzustatten.
Schlüsselposten Neben ihr setzt die jüdische Gemeinschaft große Hoffnungen in den erfahrenen Politiker Pierre Moscovici, der als neuer Wirtschaftsminister einen Schlüsselposten bekommen hat. Da die Mehrheit der französischen Juden allerdings hinter der konservativen UMP steht, beäugen viele den Sozialisten, der das Wirtschaftsprogramm von Staatspräsident François Hollande umsetzen soll, eher misstrauisch, insbesondere was die Erhöhung von Sozialleistungen und die EU-Politik angeht.
In der jüdischen Gemeinde wird außerdem über die Wahl seiner Lebensgefährtin gelästert: Moscovici (55) ist seit vier Jahren mit der heute 23-jährigen Marie-Charline Pacquot liiert, die nicht nur seine Tochter sein könnte, sondern vor allem keine Jüdin ist. Eine weitere Kritik kommt aus der linksextremen Ecke, wo man ihm vorwirft, den amerikanischen Neokonservativen zu nahe zu stehen. Das musste sich auch Bernard Kouchner in seiner Zeit als Außenminister unter Nicolas Sarkozy anhören.
Liaison Diesem Zirkel der französischen Neokonservativen um Bernard Henri-Lévy gehört, den Linksextremen zufolge, auch der neu gewählte Außenminister an. Laurent Fabius hat jüdische Eltern, die zum Katholizismus konvertiert sind, doch er unterhält seit Jahren beste politische Kontakte mit Israel und der jüdischen Gemeinschaft in Frankreich. Der inzwischen verstorbene Lokalpolitiker Georges Frêche beleidigte Fabius vor zwei Jahren mit der Bemerkung, er habe »eine nicht sehr katholische Fresse«.
Doch auch der Außenminister ist im verbalen Austeilen bestens geübt. So hat er François Hollande vor dessen Zeit als Präsidentschaftskandidat einmal eine »Walderdbeere« genannt. Er kann also von Glück reden, dass er trotzdem ein so wichtiges Amt bekommen hat.
Ein pikantes Detail aus seinem Privatleben: Fabius war Carla Brunis Lover, lange bevor sie Nicolas Sarkozy heiratete. Der frühere Präsident war also nicht nur ein politischer Rivale für den Außenminister, der schon immer zum harten Kern der Sozialisten gehörte. Während Hollandes Wahlkampf ging Fabius auf Israel-Tour, wo er offenbar sehr gut ankam. Von ihm dürfte in Bezug auf die israelisch-jüdischen Beziehungen am meisten zu erwarten sein.