Egal, was in Nahost oder Lateinamerika passiert, »Mosaico« berichtet erfrischend anders als die Konkurrenz, informiert und relativiert auf überraschende Weise. »Wir zeigen, was die Leitmedien nicht bringen, und gehen näher ran – das ist unsere Linie«, sagt Roni Gotthilf (58), der Produzent eines der ältesten Fernsehprogramme Brasiliens. »Der Verkehr hier in São Paulo fordert mehr Tote als der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Und wenn ein Kind aus Gaza dringend operiert werden muss, passiert das gratis in Israel, und die ganze Familie ist im Krankenhaus dabei.« Mosaico-Chefreporter Tomer Savoia haut in die gleiche Kerbe: »Niemand außer uns hat erwähnt, dass Haiti nach dem Erdbeben vergangenes Jahr zuerst von Israel unterstützt wurde.«
Gegen-info Auch in Brasilien gab es viel Wirbel um die Gaza-Flottille, und es wird immer wieder heftig auf Israel eingeschlagen. Gotthilf sorgt mit seinem zwölfköpfigen Team für Gegeninformation. »Die sogenannte humanitäre Hilfe der Mavi Marmara bestand hauptsächlich aus Lebensmitteln und Medikamenten mit überschrittenem Verfallsdatum«, sagt er, »alles hätte problemlos über die israelischen Kontrollpunkte nach Gaza gebracht werden können.« Als Jerusalems Sprachrohr versteht sich Mosaico jedoch keineswegs, denn kaum ein Tag vergeht, an dem das Programm den offiziellen Kurs der israelischen Regierung nicht kritisiert.
Das wöchentliche, halbstündige Fernsehprogramm wird ohne Studio mitten im Leben gedreht und gleich neunmal ausgestrahlt. Mosaico kauft dafür Sendezeit in sechs Pay-TV-Kanälen des Landes und stellt danach alles auf die eigene Website. Allein in der Megacity São Paulo sehen rund 80.000 Menschen das Programm, schätzen die Macher. Doch nur etwa 12.000 Zuschauer seien Juden. »Evangelikale aus Sektenkirchen sind geradezu verrückt nach Mosaico«, sagt Gotthilf. Der Sender beschäftigt zwei Korrespondenten in Israel, die stets aktuelle Reportagen aus der Geburtsregion von Jesus und Bilder von heiligen Orten wie Jerusalem liefern.
In diesem Jahr wird Mosaico 50 Jahre alt. Der Vater des heutigen Produzenten, Franz Herrmann Gotthilf, hat es gegründet. 1938 flüchtete er vor den Nazis mit gefälschten Papieren von Breslau nach Brasilien. Schon 1940 startete er in São Paulo ein tägliches jüdisches Radioprogramm. 1961, in einem Klima des Antisemitismus, begann er mit Fernsehsendungen. »Er wollte vor allem Brasiliens Juden vorstellen und der Mehrheitsgesellschaft zeigen, dass sie zu Ostern kein Kinderblut trinken und normale Menschen sind wie alle anderen«, erinnert sich Sohn Roni sarkastisch. »Er dachte, wenn die Brasilianer das sehen, ändern sie ihre Meinung über uns.«
Wie in Europa tarnt sich heute auch in Brasilien Antijudaismus oft als Antizionismus. »Die Intelligenzia des Landes ist stark propalästinensisch und antiisraelisch. Vielen fehlt Information, die wir zu liefern versuchen«, sagt Roni Gotthilf. »Doch wir fühlen uns wie Rufer in der Wüste.«
Merkwürdigerweise identifiziert sich die jüdische Gemeinde kaum mit Mosaico und unterstützt den Sender nur wenig. Für viele aus der Nach-Holocaust-Generation sei Mosaico ein Anachronismus, so Gotthilf. Und leider existiere jenes Minderheiten-Syndrom: »Wenn wir nicht viel Lärm machen, lässt man uns vielleicht in Frieden.«
Verantwortung Chefreporter Tomer Savoia (25) sieht in solchen Auffassungen eine große Gefahr. »Wir jungen Juden haben als letzte Generation noch direkten Kontakt mit Holocaust-Überlebenden. In zehn Jahren gibt es keine mehr. Dann werden Leute vom Schlage des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad die Judenvernichtung noch viel stärker leugnen.« Savoia fühle daher eine Riesenverantwortung: »Wir müssen besser informieren und aufklären.«
Antisemitischen Tendenzen im Land energisch gegenzusteuern, nennt Gotthilf eine der wichtigsten Aufgaben seiner Beiträge. »Und würden uns die Gemeinde und jüdische Unternehmer mit Geld helfen, könnten wir uns gute Sendeplätze in populären Fernsehkanälen leisten – und hätten noch viel mehr Zuschauer.«
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