Am 11. November wird der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien neu gewählt. Die verbalen Wogen gehen dabei schon jetzt hoch. So warf die regierende Fraktion Atid (Zukunft), welcher der amtierende IKG-Präsident Oskar Deutsch angehört, Herausforderer Martin Engelberg Stimmenkauf vor.
Der Psychoanalytiker Engelberg, der im Frühjahr die neue Partei Chaj (Jüdisches Leben) gegründet hatte, verspreche den verschiedenen jüdischen Organisationen und Vereinen höhere Subventionen, wenn diese ihn wählen, lautet Atids Vorwurf. Der Verunglimpfte gibt sich gelassen: Chaj werde sich an dieser Eskalation nicht beteiligen, wurde per Newsletter verlautbart.
stimmen Beiden Fraktionen könnte am Wahltag die »Initiative Respekt« Stimmen kosten. Die Partei wurde vor einigen Monaten von Patricia Kahane (Privatbank Gutmann) gegründet und schickt, wie sie Ende August bekannt gab, als Spitzenkandidatin Sonia Feiger ins Rennen um das IKG-Präsidentenamt.
Bisher stand noch nie eine Frau an der Spitze der Wiener IKG. Sonia Feiger ist PR-Beraterin und Journalistin; bis zu ihrer Pensionierung 2011 war sie 16 Jahre lang Chefredakteurin des IKG-Magazins »Die Gemeinde«. Sie ist die erste Frau, welche die Liste einer wahlwerbenden Fraktion für den IKG-Vorstand anführt.
Feiger gilt vor allem als eines: als Insiderin. Seit ihrer Jugend engagiert sie sich in jüdischen Organisationen und Gremien der IKG. 1972 wurde sie zur ersten weiblichen Vorsitzenden der Jüdischen Österreichischen Hochschüler (JÖH) gewählt. Geboren wurde Feiger in Prag, ihre Eltern stammten aber aus Ungarn. Als sie wenige Monate alt war, kehrte die Familie nach Budapest zurück. 1956, da war sie sechs Jahre alt, emigrierte die Familie nach Österreich und siedelte sich in Wien an.
herausforderung In den vielen Jahren, die Feiger für die IKG gearbeitet hat, habe sie die Kultusgemeinde »in allen positiven und negativen Aspekten von innen sehr gut kennengelernt«, betont sie. Nun, da sie pensioniert ist, wolle sie sich einer neuen Herausforderung stellen. Worum es ihr dabei vor allem geht? Neschume, die jüdische Seele, solle wieder großgeschrieben werden.
Zudem müsse die Zukunft der Gemeinde auch weiterhin finanziell gesichert werden, was einen sorgsamen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nötig mache, sagt Feiger. Dafür soll allen voran Amos Davidovits sorgen. Er kandidiert auf Platz zwei der »Initiative Respekt« und hat sich in den vergangenen Jahren als Mitglied der Kontrollkommission intensiv mit den Finanzen der IKG auseinandergesetzt. Um die Finanzen der Gemeinde macht sich auch Engelberg Sorgen: Er fordert »einen Kassensturz, Transparenz und eine unabhängige Kontrollkommission«.
slogan Atid hat unterdessen ihr Programm in die »Agenda IKG 2020« gepackt. Der dazugehörende Slogan lautet »Gutes gemeinsam verbessern«. Als erster Punkt wird dabei »Menschlichkeit« angeführt. Tatsächlich führt Oskar Deutsch, der im Frühjahr sein Amt von dem heutigen IKG-Ehrenpräsidenten Ariel Muzicant übernahm, dieses anders als sein Vorgänger. Er schreibt vor allem Öffnung groß: Und so strömten im vergangenen Mai Tausende Wiener am Tag der Offenen Tür in den Stadttempel.
Außer Acht lassen darf man bei den IKG-Wahlen allerdings eine ganz andere Gruppierung nicht: die Bucharen. Sie stellen derzeit mit fünf der insgesamt 24 Sitze die zweitgrößte Fraktion. Atid hält aktuell zehn Mandate.