Butscha

»Eindeutige Kriegsverbrechen«

Yuval Shany, Forschungsbeauftragter des Israel Democracy Institute und ehemaliges Mitglied des UN-Menschenrechtsausschusses Foto: Israel Democracy Institute

Professor Shany, aus der Ukraine erreichen uns schreckliche Bilder russischer Gewalttaten. Auch israelische Politiker verurteilen die »Kriegsverbrechen«. Was sagt das Völkerrecht?
Ja, es sind Kriegsverbrechen. Wir wissen zwar nur, was wir in den Nachrichten sehen, aber die Bilder sprechen für sich. Es sieht so aus, als wären in Butscha Zivilisten absichtlich hingerichtet worden. Auch das Töten bereits festgenommener Personen ist ein ernsthaftes, extremes und eindeutiges Kriegsverbrechen. In Zeiten des Krieges dürfen sich Militäraktionen nur gegen militärische Ziele richten.

Sind Konsequenzen wegen Russlands Vetorecht im UN-Sicherheitsrat per se unmöglich?
Alle, die diese Verbrechen begangen haben, und ihre Vorgesetzten können vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) oder in jedem Land auf Basis der Genfer Konvention angeklagt werden. Allerdings ist es in der Tat schwierig, weil Moskau die Gerichtsbarkeit nicht anerkennt und sicher alle Versuche des Sicherheitsrats blockieren würde. Zudem genießen Staatsoberhäupter Immunität, und man müsste beweisen, dass Putin von den Kriegsverbrechen wusste. Dass er bald persönlich angeklagt wird, ist unwahrscheinlich.

Wie verbindlich ist das Völkerrecht?
Es ist so verbindlich wie jedes Staatsrecht mit einem juristischen System und Gerichten. Allerdings ist die Umsetzung historisch bedingt schwächer, weil es um Beziehungen von Staaten geht.

»Nie wieder« war eine Schlüsselbotschaft nach dem Holocaust. Welchen Wert hat das Völkerrecht, wenn diese Aussage heute hohl erscheint?
Trotz dieses Satzes sehen wir immer wieder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nicht nur in der Ukraine. In Sachen Humanität bleibt viel zu wünschen übrig. Ich glaube jedoch nicht, dass wir ein Problem mit dem Gesetz haben, sondern mit dem politischen Willen. Beispielsweise erlaubt das Völkerrecht, angegriffene Staaten auch kämpfend im Krieg zu unterstützen. Die politischen Führungen von NATO-Staaten wollen dieses Recht aus Sorge vor einer Eskalation aber nicht anwenden.

Halten Sie es für notwendig, Teile des Völkerrechts zu reformieren, um Geschehnisse wie die Ukraine-Invasion besser verhindern zu können?
Das Gesetz ist ausgeklügelt, wenn es um einen Konflikt direkt geht. Allerdings meine ich, dass das »Recht auf Demokratie« gestärkt und Beschaffung sowie Einsatz von Nuklearwaffen untersagt werden müssten. Denn in dieser Krise ist die Bedrohung durch autokratische Regimes, die zu viel Macht ansammeln, deutlich geworden. Vor allem, wenn sie eine Atombombe haben. Das ist eine sehr gefährliche Kombination.

Mit dem Forschungsbeauftragten des Israel Democracy Institute und ehemaligen Mitglied des UN-Menschenrechtsausschusses sprach Sabine Brandes.

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