Lisa und Kenny Priddle haben sich getraut. Spät im Leben wagten die heute 57-Jährige und ihr 63 Jahre alter Ehemann einen Neustart. Acht Jahre ist das jetzt her.
Doch längst tun sich die Priddles schwer mit ihrer Entscheidung von 2011, ihre Heimat New York zu verlassen. Sie gingen, weil sie helfen wollten, die jüdische Gemeinde in Alabama zu stärken. Aber auch, weil sie das Geld gut gebrauchen konnten, das ihnen ein Millionär für den Umzug zahlte.
FORTBESTAND Der Unternehmer Larry Blumberg hatte Gläubigen im Magazin »Reformjudaism« 50.000 Dollar Prämie geboten, wenn sie bereit wären, sich für mindestens drei Jahre in Dothan im US-Bundesstaat Alabama niederzulassen. Dort existierte eine kleine jüdische Gemeinde, deren Fortbestand ihr wohlhabendes Mitglied unter allen Umständen sichern wollte.
Der Unternehmer Larry Blumberg zahlte anderen Juden 50.000 Dollar für den Umzug.
Blumberg, der es mit Dutzenden Hotels zu einem Vermögen gebracht hat, wollte seiner Synagoge Emanu-El mit dieser ungewöhnlichen Aktion neues Leben einhauchen. Die wenigen verbliebenen Gemeindemitglieder helfen sich, so gut es geht. Einen hauptamtlichen Rabbiner haben sie schon lange nicht mehr.
»In all diesen kleinen Städten im Süden sind die Synagogen inzwischen geschlossen«, bilanziert Blumberg den Niedergang dort. Alabama gilt als besonders ausgeprägte Diaspora. Mit 86 Prozent Bevölkerungsanteil dominieren evangelikale Protestanten das öffentliche Leben, so deutlich wie kaum irgendwo sonst.
PROTESTANTEN Der Dialog zwischen Juden und Protestanten sei heute noch wichtiger als vor zehn Jahren, meint Blumberg und verweist auf den rasant angewachsenen Antisemitismus im »Bible Belt« der USA.
Blumberg will mit der ungewöhnlichen Aktion das jüdische Leben in seiner Stadt beleben.
Elf Familien folgten bislang seinem Werben; mindestens sechs weiteren will er die Umsiedlung noch finanzieren. Die Priddles haben ihre Erfahrungen in dem 65.000-Einwohner-Städtchen Dothan gesammelt. Ein harter Bruch zu dem Leben in der Millionen-Metropole New York, in der so viele Juden leben wie nirgends sonst außerhalb Israels.
Das Ehepaar tat sein Bestes, um Ressentiments abzubauen und den evangelikalen Christen seinen Glauben näherzubringen. Dem Reporter der »Washington Post«, der sie kürzlich besuchte, berichteten sie, dass sie Latkes, jüdische Reibekuchen, backten und die methodistische Gemeinde im Ort besuchten.
Doch ihre Annäherungen blieben unbeantwortet. Lisa musste sich anhören, Juden würden ihre Hamburger mit Babyblut zubereiten. Und Kenny verlor einen Patienten für die Hausbetreuung, als der erfuhr, dass sein Pfleger Jude sei.
HEIMWEH Die Priddles leiden unter Heimweh. »Es ist sehr schwer, hier Jude zu sein«, gesteht Lisa. Die ganze Zeit hatten sie das Gefühl, von der Südstaaten-Gesellschaft ausgeschlossen zu sein.
Das passt zu Statistiken der vergangenen Jahre über ein Erstarken des Antisemitismus im Süden. Hassverbrechen gegen Juden nehmen zu. Die jungen Juden gehen. In der Folge müssen immer mehr Synagogen schließen.
Die Priddles leiden unter Heimweh. »Es ist sehr schwer, hier Jude zu sein«, gestehen sie.
Vor allem in den ländlichen Regionen hat das Reformjudentum zu kämpfen. Dessen Anhänger machen die gegenteilige Erfahrung der ultraorthodoxen chassidischen Juden, die rund um New York weiter wachsen. Nahe der Kleinstadt Monroe gründeten die Orthodoxen sogar eine eigene Stadt mit dem Namen »Palm Tree« – eine Übersetzung von »Teitelbaum«, des Nachnamens des 1979 verstorbenen Rabbiners und Gründers der Satmar-Chassiden, Joel Teitelbaum.
HEIZKOSTEN Die Priddles dagegen vermissen in Alabama auch ihre Familie. »Ich kenne unseren Hund längst besser als meine Enkel«, sagt Lisa. Selbst die geringeren Heizkosten in Alabama seien in den Abwägungsprozess eingeflossen, als sich die Frage stellte: Bleiben oder gehen?
Lange haben die Diaspora-Helfer von der Hoffnung gelebt, etwas gegen den Niedergang des Judentums und den Antisemitismus im US-Süden tun zu können. Die Aufforderung »Lasst uns nach Dothan gehen« findet sich im Buch Genesis 37,17.
Die Priddles hatten sie als gutes Omen verstanden – doch sie sind in Alabama nicht heimisch geworden. Zum Jahresende entschieden sie: Ihre »Missionsarbeit« geht zu Ende. Sie werden die achte von elf Familien sein, die wieder geht.