In wenigen Tagen geht es mit zwei Flugzeugen von Frankfurt nach Tel Aviv zur Maccabiah in Israel. Einer der bekannteren Namen in der deutschen Mannschaft: Anton Shynder.
Der deutsch-ukrainische Fußballspieler freut sich auf das Großereignis: »Ich komme zusammen mit meiner Familie«, erzählt der 35-Jährige im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Für mich steht die Maccabiah im Vordergrund, für sie ist es in erster Linie Urlaub. Aber sie unterstützen mich natürlich auch bei den Spielen.« Sie – das sind seine Frau, seine Tochter und sein Sohn. Der Junge spielt bereits im Verein.
TRAINING Am 8. Juli beginnt in Duisburg ein Precamp, eine Art Trainingslager, eingeleitet mit einer gemeinsamen Schabbatfeier. Shynder bedauert, dass er nicht teilnehmen kann. »Ich spiele in der Oberliga, und wir haben diesen Monat unsere Saisonvorbereitung – fast jeden Tag Training, manchmal sogar zweimal am Tag, und zwei Vorbereitungsspiele.«
Da sei es eigentlich ungünstig, zwei Wochen wegen der Maccabiah zu fehlen. »Ich werde die ersten Ligaspiele verpassen«, sagt Shynder. »Aber dafür stehe ich auch ohne Precamp voll im Saft«, meint der erfahrene Offensivspieler und lacht.
»Ich stehe auch ohne das Precamp voll im Saft.«
Anton Shynder
Sein Verein, die in der fünftklassigen Bayernliga Nord spielende DJK Ammerthal, sei nicht begeistert darüber gewesen, dass er demnächst fehlen wird, erzählt Shynder. Aber man habe im Gespräch alles klären können. Immerhin ist der Stürmer diesen Sommer erst zu dem Klub in der Oberpfalz gewechselt. Vergangene Saison hatte er noch in Mittelfranken gespielt und dort für Sechstligist SC 04 Schwabach zehn Tore erzielt.
Kontingentflüchtling Überhaupt ist Anton Shynder ganz schön herumgekommen. Geboren 1987, zu Sowjetzeiten, in der Stadt Sumy im Nordosten der Ukraine, kam er 2002 mit seiner Familie als Kontingentflüchtling nach Regensburg. »In der Stadt habe ich mich erkundigt, welche Fußballvereine es gibt, und bin zum Jahn gekommen«, so Shynder. Beim heutigen Zweitligisten SSV Jahn Regensburg habe er von der U15 bis zur U19 alle Jugendmannschaften durchlaufen.
Über mehrere Stationen in Deutschland und der Ukraine landete er 2010 schließlich beim Erstligisten SK Tawrija Simferopol auf der Krim. Vor der russischen Annexion der Halbinsel 2014 gehörte Tawrija zu den vier Mannschaften, die noch nie aus der ukrainischen Premjer-Liha abgestiegen waren. Shynder feierte dort seinen Durchbruch als Profifußballer. 2011 debütierte er in der ukrainischen Nationalmannschaft unter Trainer Oleg Blochin, der in Kiew geborenen Legende des Sowjetfußballs. Shynder spielte dort mit Weltstars wie Andrij Schewtschenko, Anatolij Tymoschtschuk und Andrij Woronin.
2013 verpflichtete ihn der ukrainische Meister Schachtar Donezk. »Das ist sozusagen das ukrainische Bayern München«, erklärt Shynder lachend, »ein absoluter Topverein.« Für ihn war Schachtar damals letztlich eine Nummer zu groß – er kam, von einem Pokalspiel abgesehen, nicht zum Zug. »Es gab dort damals viele gute Brasilianer in der Offensive, da hatte ich es schwer, Fuß zu fassen«, erklärt Shynder. Er sagt aber auch: »Es war trotzdem eine tolle Erfahrung.« Nach dem Engagement bei Schachtar Donezk spielte Shynder unter anderem in Odessa, in Kasachstan, Ungarn und in der russischen Stadt Perm am Rande des Uralgebirges.
Strafraum Er selbst bezeichnet sich als »klassischen Neuner«, als »Box-Spieler« – also einer, der im gegnerischen Strafraum die Bälle bekommt, um Tore zu schießen. Er ist schnell, groß und kopfballstark. Früher hätten Sportjournalisten ihn mit seinen 1,90 und seinen 90 Kilo vielleicht als »Sturmtank« bezeichnet. Doch solche martialischen Begriffe wirken in Zeiten des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine noch deplatzierter, als sie es früher schon waren.
In der Ukraine hat er neben dem Fußball Wirtschaft studiert.
»Politisch will ich gar nicht groß etwas dazu sagen«, sagt Shynder. Es sei klar, dass der Krieg »für die Menschen eine Katastrophe« ist. »Die Städte werden bombardiert, und ein Ende ist nicht in Sicht.« In seinem Geburtsort Sumy leben seine Mutter, seine Großmutter und ein Onkel.
Zu Beginn der russischen Invasion Ende Februar gab es dort zwar Kämpfe, ehe sich Putins Truppen nach einigen Wochen wieder zurückzogen. Doch es sei dort lange nicht so schlimm wie im Donbass im Osten oder wie in der Region Mariupol im Süden.
PROFIKARRIERE Erst 2021 hat Shynder mit seiner letzten Station in der Ukraine, dem Erstligisten FK Minaj, seine Profikarriere beendet und ist nach Deutschland zurückgekehrt. Deswegen, so der Torjäger, sei er mit seiner Familie auch noch nicht Mitglied in einer jüdischen Gemeinde geworden. »Bisher habe ich noch nicht die Zeit gefunden, aber wir werden künftig sicher auch in die Gemeinde gehen.«
Ohnehin will er nun, nach der Profikarriere, erst einmal viel Zeit mit der Familie verbringen und seinen Kindern Aufmerksamkeit widmen. Dies sei während der Zeit als Fußballprofi viel zu kurz gekommen. Deswegen hat Shynder auch noch keine konkreten Berufspläne. In der Ukraine hat er neben dem Fußball aber schon ein Fernstudium im Bereich Wirtschaft absolviert, außerdem verfügt er über die C-Lizenz als Fußballtrainer.
Doch jetzt steht erst einmal die Maccabiah an. Shynder hat zwar keine Verwandten in Israel, aber er war als Jugendlicher schon einmal bei den Spielen dort. Auch mit seinem Ex-Klub Schachtar Donezk war er in Israel, in einem Trainingscamp.
»Wir freuen uns als Familie sehr auf Israel. Das ist schon ein Ereignis!« Immerhin sei die Maccabiah das drittgrößte Sportevent der Welt. »Ich war bei ein paar Lehrgängen dabei – wir haben eine gute Mannschaft«, sagt der Ex-Profi und fügt an: »Wenn wir uns einspielen und diszipliniert sind, dann können wir da was reißen. Aber noch ist schwer einzuschätzen, welches Niveau die anderen Mannschaften mitbringen.«