Das Bild »Die Falschheit der Frau« zeigt eine elegante Dame mit Perlenkette im roten Kleid auf einem Sofa, die den Betrachter nachdenklich anschaut. Die 1927 Porträtierte ist die Warschauer Jüdin Maryla Grossmanowa. Sie wurde mit ihrem Mann nach der deutschen Okkupation Polens von der SS inhaftiert und vermutlich 1942 in einem Konzentrationslager ermordet.
Heute hängt das großformatige Pastellwerk von Stanislaw I. Witkiewicz, einem surrealen Maler, im Warschauer Nationalmuseum. Doch Grossmanowas Enkel Martin Karlberg, der in Schweden wohnt, fordert es zurück. Bislang vergeblich.
»Ich hoffe seit 16 Jahren, dass dies geschieht, und solange ich lebe, werde ich hoffen – Aufgeben steht nicht auf meiner Agenda«, sagte der heute 72-Jährige vor einigen Monaten im schwedischen Radio. Karlberg, der sonst über keine Bildnisse seiner Großmutter verfügt, sieht eine mögliche Rückgabe des Bildes als eine Art von Gerechtigkeit.
Nachlass Zu Lebzeiten seiner Mutter wusste er nichts von dem Bildnis. Im Nachlass entdeckte er eine Postkarte des Porträts, die 1985 aus Polen an Karlbergs Mutter geschickt wurde. Nach einer beauftragten Übersetzung begriff er, dass es sich um seine Großmutter handelte.
Der Enkel beruft sich mit seiner Forderung auf die »Washingtoner Erklärung« von 1998, die Polen mitunterzeichnet hat. Demnach sollten sich die Unterzeichnerstaaten bemühen, NS-Raubkunst zu identifizieren, die Erben ausfindig zu machen sowie eine »gerechte und faire Lösung« zu finden.
Der Enkel beruft sich mit seiner Forderung auf die »Washingtoner Erklärung« von 1998, die Polen mitunterzeichnet hat.
Nach Angaben der inzwischen verstorbenen Kunsthistorikerin Irena Jakimowicz sei das Bild nach der Deportation des Ehepaars Grossman im Keller von deren Wohnhaus im Warschauer Zentrum verblieben. Dort entdeckte es der Hausverwalter und verkaufte es an ein polnisches Ehepaar namens Krynski. Diese verkauften es 1989 ans Nationalmuseum.
Die Institution verweist in einem Brief an Karlbergs Anwalt Carl Magnus Lilienberg, dass die Angaben der Kunsthistorikerin ohne Quelle seien, belegt sei allein der Verkauf des Bildes der Krynskis an das Museum. Zudem sei »Die Falschheit der Frau« nicht von den Nazis konfisziert worden und somit keine Raubkunst.
Dem widerspricht Karlbergs Anwalt: »Es ist egal, wo das Bild gefunden wurde, sondern wichtig ist, dass die Eigentümer von den Nazis mit Gewalt weggeführt worden sind, sowie dass sie das Bild nicht verkauft haben.«
Washingtoner Abkommen Das Washingtoner Abkommen bietet keine explizite rechtliche Handhabung, es kann jedoch den moralischen Druck erhöhen. Einen Anlass dafür sah Lilienberg, als das polnische Kulturministerium Anfang des Monats mit einer Bitte an die schwedische Regierung herantrat, das Gemälde »Die Beweinung Christi« (1538) von Lucas Cranach dem Älteren zurückzugeben.
Das Gemälde stammt ursprünglich aus dem Schlesischen Museum für Bildende Künste in Breslau, wurde 1942 in die schlesische Kleinstadt Kamenz gebracht, um es vor Bombenangriffen zu schützen, und dort 1946, als die Stadt bereits zu Polen gehörte, von unbekannt gestohlen. Das Nationalmuseum in Stockholm erwarb 1970 das Kunstwerk bei einer Auktion.
Der schwedische Anwalt unterstützt das polnische Anliegen der Rückforderung, argumentierte aber gleichzeitig gegenüber der schwedischen Regierung, dass dann auch Polen das Porträt an seinen Klienten zurückgeben müsse. Auch Karlbergs Schritt, erstmals mit dem Anliegen an die Öffentlichkeit zu gehen, sollte eine Entscheidung herbeiführen.
grundlage Doch zwei Gründe sprechen gegen ein rasches Ergebnis. Zum einen gilt Witkiewicz heute als einer der wichtigen Vertreter der polnischen Moderne, dessen Werke zum Nationalgut gehören. Die Pressestelle des Museums verwies auf Anfrage, dass es weder nach »polnischem noch internationalem Recht« eine Grundlage gebe, den Erwerb des Bildes infrage zu stellen.
Zudem sieht sich Polen vor allem selbst auf der Klägerseite. Nach polnischen Schätzungen sollen 2800 Gemälde bekannter europäischer Maler sowie 11.000 polnische Bildnisse während der NS-Zeit entwendet worden sein. Polen vermutet große Bestände von Raubkunst in deutschem Besitz.
Die Lost-Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste führt aktuell 180.000 Kulturgüter von Privatpersonen und Einrichtungen im In- und Ausland auf, bei denen der Verdacht besteht, dass sie Beutekunst aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs sein könnten.