Mit »Rabbis for Romney« im Jahr 2012 fing es an. »Ich war total gegen Obama«, sagt Bernhard Rosenberg. Jetzt stellt sich der Rabbiner aus New Jersey hinter den wohl umstrittensten Kandidaten in und außerhalb der jüdischen Gemeinschaft: Donald Trump. Mit seiner im Dezember gestarteten Facebook-Kampagne »Rabbi for Trump« (die Variante »Rabbis for Trump« hatte mangels Beteiligung keinen Bestand) will Rosenberg Trump vor allem als Unterstützer Israels bekannt machen. Momentan »gefällt« das 880 Personen.
Die Seite »Jews4Trump« von Jeremy Leyden kann sogar knapp 8000 Likes verzeichnen. Der Medienexperte ist fasziniert von Trumps »sehr israelischer« Persönlichkeit, wie er das ungebrochene Selbstbewusstsein des Immobilienmoguls bezeichnet.
Flüchtlinge Auch Rosenberg gefällt Trumps Direktheit. Er selbst nehme als »einziger Geistlicher« kein Blatt vor den Mund, sagt er. »Alle wollen immer nur ›politically correct‹ sein. Dieses Schweigen ist furchtbar.« Obamas Politik lehnt der Rabbiner rigoros ab, vor allem die Entscheidung, Tausende syrische Flüchtlinge aufzunehmen. »Meine Eltern waren Flüchtlinge, als sie in der Nazizeit in die USA kamen. Deren Situation mit den Flüchtlingen heute gleichzustellen, ist respektlos«, empört sich Rosenberg, der mehrere Bücher über den Holocaust geschrieben hat.
Er erwartet nicht, dass er die Meinungen der Menschen grundlegend ändern wird. »Aber denen, die die liberalen Parolen einfach satt sind, gebe ich die Hoffnung, dass es jemanden gibt, der für Veränderung kämpft.« Rosenberg wird im November auf jeden Fall für Trump stimmen. »Er hat gute Chancen, weil er die empfindlichen Stellen trifft. Er muss nur lernen, heiße Eisen richtig anzupacken«, sagt Rosenberg. Als »kluger Geschäftsmann« werde Trump sicherlich die richtigen Berater um sich scharen, prophezeit der Rabbiner, der für den Fall, dass Trump gewinnt, um den Ruf der Juden besorgt ist. »Wie sieht es denn dann aus, wenn ihn vorher niemand von uns unterstützt hat?«
In der Tat gehen die Meinungen über Trump, der sich energisch zu Israel und den Juden bekennt, in der jüdischen Gemeinschaft auseinander. Fast alle jüdischen Lobbyorganisationen in den USA teilen die weltweite Empörung über Trumps Vorschlag, zeitweilig die Einwanderung von Muslimen zu stoppen.
Rabbi Rosenberg weist diese Kritik als »Missverständnis« zurück, gibt aber zu, dass Trump mit seinem »ganz persönlichen Humor« viele Leute verschrecke. Um so größer war seine Freude, als der republikanische Spitzenkandidat jüngst sein Einverständnis verlauten ließ, im Falle seines Wahlsiegs die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Noch im Dezember hatte sich Trump bei einer Rede vor der Republican Jewish Coalition geweigert, Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt Israels anzuerkennen.
Den wohlhabenden jüdischen Republikanern ist die Chuzpe des Milliardärs suspekt. Andere wiederum schätzen gerade die Unverblümtheit seiner Aussagen, bewundern sein Streben nach Erfolg, oder, wie der legendäre jüdische Komiker Jerry Lewis, sein Showtalent: »Ein Bühnenstar als Präsident wäre mal eine Abwechslung.«
Die meisten Juden tun sich leichter mit den demokratischen Kandidaten, auch wenn die Meinungen über Bernie Sanders, dem einige »jüdischen Selbsthass« vorwerfen, geteilt sind und Hillary Clinton wegen ihrer angeblichen Nähe zur arabischen Finanzwelt ebenfalls nicht ganz unumstritten ist.
Die Facebook-Gruppe »Rabbis for Bernie« gilt als am besten organisiert, hat allerdings nur zwölf Likes. Die »Rabbis for Hillary« warten noch auf den offiziellen Startschuss. »Bald gehen wir online«, verspricht der Verantwortliche für den Auftritt, Benjamin Kelsen. Wie Rosenberg ist auch der New Yorker Rabbiner kein Neuling im Netz. Er launchte seinerzeit »Rabbis for Obama«. Anders als sein Kollege aus New Jersey setzt er auf den Segen von oben – womit hier das Büro der früheren Außenministerin gemeint ist. Da die »Rabbis for Hillary« offenbar nicht ganz oben auf Clintons Agenda stehen, besteht der Facebook-Auftritt der »Rabbis« momentan nur aus einem Hintergrundbild mit dem Namen der Kandidatin, von US-Flaggen umweht.
Bis es losgeht, sammelt der Rabbiner Kontakte und baut ein Netzwerk auf. Gibt Clinton grünes Licht, bekommt seine Initiative den Anstrich einer offiziellen Kampagne. »Wir müssen alles versuchen, um die Menschen für Hillary zu gewinnen«, sagt Kelsen. Dazu seien Rabbiner wegen ihrer Redegewandtheit und ihres Lehrauftrags besonders geeignet. Umgekehrt will Kelsen Clinton für die jüdische Sicht auf Fragen der Politik sensibilisieren. »Soziale Medien sind heutzutage ein wichtiges Kommunikationsmittel«, sagt der Rabbiner. »Als die amerikanische Regierung im 18. Jahrhundert etabliert wurde, wusste keiner, wer überhaupt kandidierte.«
Trends Es mag übertrieben sein, zu behaupten, die Wahl werde im Netz entschieden. Fest steht aber, dass die virtuelle Welt ziemlich sichere Trends liefert. Die sozialen Medien werden von den Kandidaten durchaus zum Stimmenfang genutzt. Ob Trump einen Tweet abschickt, den 3,7 Millionen Follower lesen, oder ob Kandidat Chris Christie Fotos seiner Mahlzeiten veröffentlicht: Alle sind auf der Suche nach Authentizität – und jungen Wählern.
Einer Studie aus dem Jahr 2012 zufolge generierten bestimmte Facebook-Beiträge bis zu 340.000 Stimmen. »Junge Leute prägen sich die Kandidaten mit Bildern ein«, sagt Betsy Sigman, Professorin an der Georgetown University. »Was ihnen im Netz gefällt, leiten sie sofort weiter.«
Dem von der Zeitung USA Today und Facebook erstellten Kandidatenbarometer zufolge führt Trump die virtuelle Konversation momentan klar mit über 24 Millionen Beiträgen an, gefolgt von Clinton mit 17,5 Millionen und Sanders mit 9,4 Millionen Beiträgen. Doch noch ist nichts entschieden: Erst kürzlich wurden Gerüchte über die mögliche Kandidatur des New Yorker Ex-Bürgermeisters Michael Bloomberg laut. Dies könnte die scheinbar geordnete Netzwelt gehörig durcheinanderwirbeln.