Frankreich hat gewählt: Nach 17 Jahren wird mit François Hollande erstmals wieder ein Sozialist die Geschicke der Grande Nation und damit auch der 550.000 dort lebenden Juden lenken. In die lange Liste der Gratulanten reihten sich auch einige jüdische Organisationen ein. Der CRIF, die jüdische Dachorganisation in Frankreich, richtete Hollande »herzliche und hochachtungsvolle Glückwünsche« aus. Der Abscheu des neuen Präsidenten vor Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung verbinde ihn mit dem CRIF. Er werde diesen im Kampf um »mehr Brüderlichkeit« nach Kräften unterstützen.
KURSWECHSEL Vor zwei Wochen hatte das jedoch noch anders geklungen: In einem Gastbeitrag für die israelische Zeitung Haaretz warnte der CRIF-Präsident Richard Prasquier vor den möglichen Koalitionspartnern des Sozialisten. So seien vor allem unter den Grünen und den Kommunisten viele, die aus ihrer Feindschaft gegenüber Israel keinen Hehl machten und deren Einfluss auf das gesellschaftliche Klima und die französische Außenpolitik unter einem Präsidenten Hollande wachsen könnte.
Da Prasquier es sich gleichzeitig nicht nehmen ließ, Sarkozys Verbundenheit mit Israel zu betonen, werteten einige Kommentatoren den Artikel als unverhohlene Parteinahme für den konservativen Bewerber – für viele ein kleiner Skandal, präsentiert sich der CRIF doch sonst als politisch neutrale Repräsentanz aller französischen Juden.
Der ehemalige israelische Botschafter in Frankreich, Daniel Shek, betonte hingegen in einem Interview, er sehe keinen Grund, weshalb sich das Verhältnis zwischen Israel und Frankreich unter einem Präsidenten Hollande verschlechtern sollte.
Unbekannt Hollande, der Boykotte israelischer Waren ablehnt und nach seiner Wahl eine Reise nach Israel ankündigte, habe durch seinen außenpolitischen Vertreter Laurent Fabius schon während des Wahlkampfes zugesichert, nichts Grundlegendes an der französischen Nahost-Politik ändern zu wollen. Gleichwohl sei der neue Präsident natürlich außenpolitisch ein Unbekannter.
Diese Unerfahrenheit und Nachgiebigkeit im Bezug auf den Iran waren es jedoch, die dazu führten, dass Sarkozy unter den in Israel lebenden Auslandsfranzosen bei der Wahl ein Rekordergebnis von knapp 93 Prozent erzielte.
Egal, ob Hollande oder Sarkozy, angesichts der gravierenden wirtschafts- und sozialpolitischen Probleme, die der neue Präsident angehen muss, wird der Nahe Osten auf der politischen Prioritätenliste wohl ohnehin eher unten anzusiedeln sein. Ob sich dies besonders gut oder schlecht für Israel auswirkt, wird sich zeigen.