Der Countdown läuft: An diesem Freitag öffnet das Manchester Jewish Museum seine Pforten wieder für die Öffentlichkeit. Mehr als zwei Jahre lang wurde das Museum für jüdische Geschichte und Gegenwart in der nordostenglischen Großstadt generalüberholt und ausgebaut. Für die umfangreichen Renovierungsarbeiten standen rund drei Millionen Pfund aus Mitteln des britischen National Lottery Heritage Fund zur Verfügung.
Besucher des Museums in dem multikulturellen Stadtteil Cheetham Hill dürfen sich neben den komplett neu gestalteten Ausstellungsräumen nach den Entwürfen der Architekten von H.H. Smith & Sons auf eine Galerie, ein Café, einen Shop sowie ein Lernstudio für Workshops und Veranstaltungen freuen.
Im Zentrum stehen Identitäten über die Zeiten hinweg.
Zudem verfügt der Gebäudekomplex über eine Großküche, in der Besuchergruppen und vor allem Schulklassen jüdische Kultur und Speisetraditionen ganz praktisch über angeleitete Koch- und Backkurse kennenlernen können. Die historische sefardisch-portugiesische Synagoge aus dem Jahr 1874, die sich dem brandneuen Museumskomplex direkt anschließt, wurde ebenfalls restauriert und ist im Zuge der Wiederöffnung zu besichtigen.
zeitrahmen »Nach all dieser Zeit endlich die Schlüssel zu unserem atemberaubenden Neubau zu erhalten, ist unglaublich aufregend und ein wenig überwältigend«, sagt Museumsgeschäftsführer Max Dunbar. Dass das Renovierungsprojekt im Zeitrahmen abgeschlossen werden konnte, sei vor allem während einer Pandemie keine Selbstverständlichkeit. »Aber die Herausforderungen und Belastungen machen das Ergebnis umso lohnender.«
Inhaltlich hat es sich das Museum zur Aufgabe gemacht, die jüdische Geschichte und Migration der Stadt zu erforschen. Im Zentrum stehen dabei die Gemeindemitglieder und ihre Identitäten über die Zeiten hinweg. Durch den persönlichen Zugang sollen Verbindungen zu anderen kulturellen Gruppen in der Gesellschaft geschaffen und Menschen zusammengebracht werden.
In der neuen Dauerausstellung sind nach Museumsangaben mehr als 31.000 historische Objekte zu sehen – viele von ihnen überhaupt zum ersten Mal für die Öffentlichkeit. Darunter sind persönliche Briefe und Fotografien von Mitgliedern der örtlichen jüdischen Gemeinde sowie ungewöhnliche Gegenstände mit Bezug zu den jeweiligen Menschen, zum Beispiel ein Waschbrett als Insektentöter aus russischer Produktion oder eine englisch-hebräische Teekanne und eine zeremonielle Topfkelle aus dem Jahr 1857.
Die ältesten der ausgestellten Gegenstände stellen einen Bezug zu den ersten jüdischen Familien her, die sich Ende des 18. Jahrhunderts in der Region niederließen. Dazu zählt etwa eine originale Daguerreotypie – ein Foto auf einer Metallplatte – von Elias Nathan, dessen Vater Jacob im 18. Jahrhundert einer der Gründer der ersten jüdischen Gemeinde in der englischen Stadt war.
KONZEPTION Für die Einrichtung und Konzeption der neuen Ausstellung ist Museumskuratorin Alex Cropper zuständig. Es sei für sie »ermutigend und ein großes Privileg« gewesen, die vielen Objekte und mündlichen Überlieferungen als Zeugnisse der jüdischen Geschichte der Stadt zusammenzutragen. »Es war faszinierend für mich zu erfahren, wie die Gemeinde und die Synagoge einst entstanden und was beide zur Entwicklung Manchesters als Ganzes beigetragen haben«, sagt Cropper.
Die portugiesische Synagoge neben dem neuen Museumskomplex wurde restauriert.
Gemeinsam mit ihrem Museumsteam hat die Kuratorin über die Objektsammlung hinaus auch ehemalige Gemeindemitglieder der sefardisch-portugiesischen Synagoge getroffen, die bis ins Jahr 1980 als aktives Bethaus genutzt wurde, und sie zu ihren Erfahrungen befragt.
Die mündlichen Zeitzeugenberichte sollen als Erinnerungen festgehalten werden, um die Sammlung des Museums von bereits mehr als 500 mündlichen Berichten über das Gemeindeleben in der Vergangenheit zu bereichern.
Eine Auswahl der aufgezeichneten Gespräche wird in der neuen Ausstellung unter den Themenschwerpunkten Reisen, Gemeinschaft und Identitäten gezeigt. In der zusammen mit dem Museum am 2. Juli öffnenden Synagoge – sie ist eine der ältesten erhaltenen in Manchester und wird von Historikern als architektonisches »Juwel« bezeichnet – soll eine Installation der französischen Künstlerin Laure Prouvost zu sehen sein.
Die Schau zeigt auf der einstigen Frauenempore einen Film, der im Museum und in der Umgebung von Cheetham Hill gedreht wurde. In dem Beitrag hat sich die Künstlerin mit der Geschichte hinter den ehemaligen Gemeindemitgliedern befasst und sich auf Spurensuche insbesondere über die Frauen der Gemeinde begeben.
GEMEINDE In der örtlichen jüdischen Community – sie ist mit rund 24.000 Menschen nach London die größte Englands – freut man sich über die Eröffnung des Museums. Rabbinerin Robyn Ashworth-Steen, die an der Manchester Reform Synagogue amtiert, hat die Museumskuratorin bei der Zusammenstellung der Objekte und der Ausstellungskonzeption beraten.
Die ursprüngliche Synagoge ihrer Gemeinde liege nur wenige Gehminuten vom Museum entfernt. »Zu wissen, dass es Dinge geben wird, die noch nie zuvor gezeigt wurden, sowie neue Räume und Programme, die uns tiefer in Verbindung mit unserer Geschichte und den Gemeinden der Stadt bringen, ist aufregend«, sagt die Rabbinerin.
Die Vision des Museums, dass es mehr gibt, das die Menschen verbindet, als das sie trennt, sei heute wichtiger denn je. »Ich werde eine der ersten Besucherinnen der neuen Ausstellung sein.«
www.manchesterjewishmuseum.com