Seit Monaten sind weite Teile der jüdischen Diaspora in Sorge über die politische Entwicklung in Israel. Israels Präsident Isaac Herzog hat nun eine Initiative angekündigt, um die große Kluft zwischen der Diaspora und Israel zu überbrücken.
Auf der Generalversammlung der Jewish Federation of North America kündigte Herzog am Sonntag vor rund 3000 Zuhörern in der Expo Tel Aviv an, er werde eine Initiative mit dem Namen »Kol Ha’am« (Stimme des Volkes) ins Leben rufen: eine überparteiliche und unpolitische Initiative für einen weltweiten jüdischen Dialog.
Laut israelischen Medienberichten sagte Herzog, »Kol Ha’am« solle ein Forum sein, das das gesamte Spektrum jüdischer Stimmen aufnehmen und widerspiegeln könne, »ein Ort, an dem wir ernsthafte, sensible und strategische Diskussionen über die komplexesten und dringlichsten Fragen unseres Volkes führen«. Dieser »globale Rat für den jüdischen Dialog« werde »ernsthafte und strategische Diskussionen über die Herausforderungen führen, denen sich das jüdische Volk gegenübersieht, und mich dabei beraten«, erklärte Herzog und nannte seine Initiative »ein jüdisches Davos«.
Entfremdung Herzog betonte, dass die größte Bedrohung für das jüdische Volk »von innen kommt: unsere eigene Polarisierung und Entfremdung voneinander«. Israelischen Medien zufolge bedauert er, dass sich das jüdische Volk »in einigen der wichtigsten Fragen nicht einigen« kann. »Was aber noch schlimmer ist: Wir sind oft nicht einmal in der Lage, darüber zu diskutieren. (…) Das entscheidende Netz der Verbundenheit – das Gefühl eines gemeinsamen Ziels und Schicksals, das unser Volk seit Jahrtausenden getragen hat – scheint sich zu lockern.«
Viele junge Juden in der Diaspora hätten keinen Bezug mehr zu Israel, beklagte Herzog am Sonntag bei der Generalversammlung. Er vermisse den »verbindenden Faden, der unser Volk durch die turbulenten Veränderungen des letzten Jahrhunderts geeint hat«. Die Initiative »Kol Ha’am« solle aus diesem Grunde auch ein Ort sein, »an dem wir die nächste Generation jüdischer Führungskräfte heranziehen«.
Der Vorsitzende der Jewish Agency, Doron Almog, sagte, die Debatten der vergangenen Monate »haben gezeigt, wie zerbrechlich unsere Einheit sein kann und wie hart man arbeiten muss, um sie zu erhalten«.
Bei der Generalversammlung sollte am Sonntagabend auch Israels Premier Benjamin Netanjahu sprechen. Sein Büro sagte jedoch den Auftritt kurzfristig ab und begründete dies mit »Planungsproblemen und Vorbereitungen für den Gedenktag und die Feiern des Unabhängigkeitstags«. Beobachter bezeichneten dies als »Ausrede« und erklärten, Netanjahu habe sich offenbar vor Protesten gefürchtet.