USA

Ein Israeli in Cleveland

Gibt seinen Spielern Anweisungen: David Blatt Foto: dpa

David Blatt muss schmunzeln, wenn er gefragt wird, ob er Druck verspüre angesichts der Herausforderung, die ihm bevorsteht. »Ich habe Erfahrungen hinter mir, gegen die das hier ein Kinderspiel ist.« Das ist auf den ersten Blick eine verblüffende Ansage. Blatt hat gerade den exponiertesten Posten in der amerikanischen Profi-Basketball-Liga NBA angenommen: Mitte Juli unterschrieb der bisherige Trainer des Euroleague-Champions Maccabi Tel Aviv bei den Cleveland Cavaliers – kurz bevor der beste und teuerste Spieler der Welt, LeBron James, ebenfalls nach Cleveland wechselte.

Skepsis Die Erwartungen sind gewaltig – James’ Rückkehr in seine Heimatstadt weckt bei dem bislang im Mittelmaß herumdümpelnden Verein Titelhoffnungen. Die Skepsis gegenüber der Qualifikation von David Blatt ist allerdings gehörig. Blatt mag mit Maccabi Tel Aviv die Euroleague gewonnen haben und mit der russischen Nationalmannschaft die Europameisterschaft. Aber die NBA ist ein anderes Kaliber. Sie ist das ganz große Geschäft, und Blatt hat nicht einmal als Spieler hier Erfahrung sammeln können.

Doch Blatt zeigt sich unbeeindruckt. »Ich habe mich mit russischen Spielern herumgeschlagen, die nicht spielen wollten, weil sie nicht bezahlt wurden. Ich habe Amerikaner motiviert, die keine Lust hatten, in Europa zu spielen.« Seine härteste Bewährungsprobe war jedoch sein Engagement in Tel Aviv. »Wenn ich mit Maccabi ein Spiel verloren habe, war das eine ganze Woche lang eine nationale Katastrophe. Und Israelis sind nicht zimperlich – sie sagen dir das ins Gesicht.«

Aussenseiter Blatt, der in Boston aufgewachsen ist, seine eigene Profikarriere jedoch in Israel bestritt, fühlt sich gewappnet. Auch dass er im US-Basketball ein Außenseiter ist, belastet ihn nicht. »Stellen Sie sich nur einmal vor, wie das war, als amerikanischer Jude die russische Nationalmannschaft zu trainieren: Ich kam mir manchmal vor, als hätte ich drei Köpfe.« Im Vergleich zu diesen Erfahrungen werde er sich in der NBA schnell zurechtfinden, da ist sich Blatt sicher. Druck hin oder her – die Vorfreude ist für ihn deutlich größer als der Respekt vor der Aufgabe. Schließlich erfüllt er sich mit dem Job in Cleveland einen Kindheitstraum.

Blatt erinnert sich daran, wie er als Achtjähriger im Bostoner Vorort Framingham bei jedem Spiel seiner geliebten Boston Celtics am Transistorradio hing und sich die Übertragungen anhörte. Sein erster eigenständiger Schulaufsatz in der vierten Klasse handelte von Bill Russell, der in den 50er- und 60er-Jahren mit den Celtics elf Mal die Meisterschaft gewann.

Doch Blatt musste einen langen Umweg gehen, bis er endlich in der NBA landete. Seine Mutter achtete darauf, dass die Schule Priorität hatte, Profisportler galt nicht als erstrebenswertes Berufsziel. So landete Blatt auf der Elite-Universität Princeton, wo er Literatur studierte.

Erst als ihn bei einem Auswärtsspiel mit der Basketballmannschaft von Princeton in New York der israelische Trainer Bob Gonen entdeckte, tat sich für David Blatt eine Gelegenheit auf, seiner Leidenschaft zu folgen. Gonen lud ihn für einen Sommer nach Israel ein, um im Kibbuz zu arbeiten und nach Feierabend mit israelischen Profis zu spielen. Blatt nahm an – eine Entscheidung, die sein Leben veränderte.

Titel Israel und der israelische Basketball wurden seine Heimat, 30 Jahre lang, unterbrochen nur von zwei Jahren beim Büromaschinenkonzern Xerox in Atlanta. Blatt war ein beliebter und erfolgreicher Spieler in der israelischen Superliga. Seine wahre Bestimmung fand er jedoch erst nach seinem Karriereende 1993, als er auf die Trainerbank wechselte. Er gewann einen Titel nach dem anderen, darunter vier israelische Meisterschaften, sechs Pokalsiege, eine Europameisterschaft, eine italienische Meisterschaft mit Benetton Treviso und eine russische Meisterschaft mit Dynamo St. Petersburg.

Das fiel irgendwann auch in den USA auf, die sonst wenig über den eigenen Tellerrand schauen. Als Blatt bei den Olympischen Spielen 2012 überraschend mit Russland Bronze gewann, erschienen in amerikanischen Medien ausführliche Porträts von ihm.

Seither wurde er hinter vorgehaltener Hand immer wieder als Kandidat für einen NBA-Posten gehandelt. Den hat er jetzt, und damit geht für ihn ein langer Weg zu Ende.

USA

Loyal und radikal

Der künftige Präsident Donald Trump vergibt wichtige Ministerposten an Personen, die bislang nicht durch Kompetenz aufgefallen sind, sondern eher durch Kontroversen von sich reden machten

von Michael Thaidigsmann  21.11.2024

Nachruf

Der Vater des Budget-Tourismus ist tot

Arthur Frommer wurde 95 Jahre alt

von Imanuel Marcus  20.11.2024

New York/Malibu

»Mein Name ist Barbra«

Die Streisand-Autobiografie erscheint auf Deutsch

von Christina Horsten  20.11.2024

Schweiz

Konservative Christen gegen den ESC

Eine Minipartei erwirkt ein Referendum gegen das hohe Rahmenbudget für den Eurovision Song Contest. Dabei geht es auch um Israel

von Peter Bollag  19.11.2024

Italien

Schoa-Überlebende rügt Papst für Genozid-Kommentar

Edith Bruck ist 93 Jahre alt und mit Papst Franziskus befreundet. Jetzt hat sie ihn aber mit deutlichen Worten kritisiert

 19.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Tschechien

Oscar-reifer Held am Mikrofon

»Wellen« feiert den KZ-Überlebenden Milan Weiner, der 1968 die Sowjets in Schach hält

von Kilian Kirchgeßner  17.11.2024

USA

Impfgegner, Verschwörungstheoretiker, Gesundheitsminister

Donald Trump beruft mit Robert F. Kennedy einen Mann als Gesundheitsminister, der auch durch antisemitische Verschwörungstheorien von sich reden macht

von Michael Thaidigsmann  15.11.2024

Imanuels Interpreten (1)

Flora Purim: Das Unikum

Die in Rio de Janeiro geborene Sängerin liefert eine einzigartige Melange der Klänge

von Imanuel Marcus  15.11.2024