In einem Park im Department Escuintla bringt Guatemalas Präsidentschaftskandidat Bernardo Arévalo von der Mitte-links-Partei Movimiento Semilla (Samenkorn-Bewegung) den Güiro, ein Rhyth-
musinstrument, das aussieht wie ein hohler Flaschenkürbis, mit einem Holzstab zum Klingen und tanzt dazu.
Das Video teilte Arévalo Anfang August auf seinem TikTok-Kanal und schrieb dazu: »Ich wette, diese Facette von mir kannten Sie nicht.« In der Tat gibt es einige überraschende Facetten an Arévalo. In einem anderen TikTok-Video unterhält er sich mit jemandem auf Hebräisch. Auch dieses Video ging viral.
Überraschung Am 20. August hat Arévalo überraschend die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Der Kongressabgeordnete und Sohn eines ehemaligen Präsidenten setzte sich in einer von Kontroversen geprägten Stichwahl deutlich gegen die ehemalige Präsidentengattin Sandra Torres durch. Am 14. Januar soll er sein Amt antreten.
Im Wahlkampf präsentierte sich der 64-Jährige als Streiter gegen die weit verbreitete Korruption im Land. Darüber hinaus verspricht Arévalo, neue Arbeitsplätze zu schaffen, den Ausbau des Bildungs- und Gesundheitswesens sowie Maßnahmen zur Bekämpfung der Folgen des Klimawandels.
Als Präsident wird ihn starker Gegenwind der traditionellen Eliten erwarten, die im Verbund mit wenigen großen Familienunternehmen, der organisierten Kriminalität sowie den Militärs über enormes Gewicht und Einfluss im Land verfügen. Dass Arévalo als guter Verhandler gilt, könnte ihm da zugutekommen.
Inspiration Seine Wahlkampftour durch Escuintla führte Arévalo auch nach Taxisco, die Heimatgemeinde seines Vaters Juan José Arévalo, wo er dessen Grab besuchte. Im Wahlkampf betonte Arévalo wiederholt: »Ich bin nicht mein Vater.« Doch dessen Ideale und Werte inspirieren ihn. Juan José Arévalo war der erste demokratisch gewählte Präsident Guatemalas. Er regierte das Land von 1945 bis 1951 und veranlasste wichtige Strukturreformen. Am 14. Mai 1948 erkannte Guatemala unter Juan José Arévalo als eines der ersten Länder den neu gegründeten Staat Israel an.
Seinen Nachfolger Jacobo Árbenz Guzmán, der Arévalos Reformkurs fortsetzte, stürzte die Oligarchie der Großgrundbesitzer 1954 durch einen Militärputsch mithilfe der USA. Juan José Arévalo musste ins Exil gehen. In Uruguay kam später Bernardo zur Welt. Die Familie lebte danach in Chile, Mexiko und Venezuela. Im Alter von 15 Jahren kam Bernardo zum ersten Mal nach Guatemala, um am Liceo Guatemala, einer katholischen Privatschule in Guatemala-Stadt, zu studieren.
Obwohl die jüdische Gemeinde in Guatemala, dem mit 17 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Mittelamerikas, schätzungsweise gerade einmal 900 Juden zählt und er selbst kein Jude ist, hat Guatemalas gewählter Präsident eine erstaunlich enge Verbindung zum Judentum und zu Israel.
Jerusalem Während sein Vater nach Guatemalas Rückkehr zur Demokratie als Botschafter in Israel diente, studierte Bernardo Arévalo an der Hebräischen Universität Jerusalem und erwarb dort einen Bachelor-Abschluss in Soziologie. Kürzlich erklärte er, dass er in Israel immer noch Freunde aus seiner Studienzeit habe. Anschließend promovierte er in Philosophie und Sozialanthropologie an der Universität Utrecht in den Niederlanden.
Wie sein Vater arbeitete auch Bernardo Arévalo in der guatemaltekischen Botschaft in Israel. Von 1984 bis 1986 war er Erster Sekretär und Konsul. Später, von 1987 bis 1988, beriet er Minister. Im Gespräch mit israelischen Medien sagte er über seine Zeit in Tel Aviv und Jerusalem: »Israel ist ein Land, für das ich eine große Zuneigung empfinde. Ich habe zehn Jahre meines Lebens dort verbracht. Es waren sehr wichtige Jahre.« Später war er unter anderem stellvertretender Außenminister und Botschafter in Spanien.
Obwohl Arévalo gern über seine Zeit in Israel spricht, unterstützt er nicht alle Positionen der derzeitigen israelischen Regierung. Auch kritisierte er die Entscheidung des damaligen Präsidenten Jimmy Morales, Guatemalas Botschaft 2018 von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Dies verstoße »gegen internationales Recht« und trage nicht zur Lösung des Konflikts bei, so Arévalo. Ob er als gewählter Präsident diese Entscheidung rückgängig machen wird, ist unklar.