Die jüdische Museumslandschaft in der Schweiz nimmt sich eher bescheiden aus. Zwar gibt es das »Jüdische Museum der Schweiz« in Basel, doch das fristet seit Jahren weitgehend ein Schattendasein. Außerdem besteht seit 2009 der Kulturweg in den beiden Aargauer Dörfern Lengnau und Endingen im Surbtal nordwestlich von Zürich.
Doch dieser Weg soll nun aufgewertet werden: Geplant ist, einen Erlebnisort zu errichten, an dem sich die wechselvolle Geschichte der Schweizer jüdischen Gemeinde widerspiegelt.
Besucherzentrum Initiiert hat das Projekt mit dem Namen »Doppeltür« der frühere Direktor des Schweizer Fernsehens, Roy Oppenheim, der selbst in einem der beiden Dörfer wohnt. Der Name ist ein direkter Hinweis darauf, wie die Juden rund 250 Jahre lang mit ihren nichtjüdischen Nachbarn zusammenlebten.
Die jüdische Gemeinschaft, die sich bis zur Emanzipation 1866 in den beiden Dörfern konzentrieren musste, lebte zwar nicht im Ghetto – dafür waren die Dörfer zu klein –, doch mussten die Juden »abgesondert« wohnen, so wollte es das Gesetz. Um das zu umgehen, wurde die sogenannte Doppeltür erfunden: zwei Eingänge pro Haus – einen für Juden, einen für Christen.
Daran knüpfe man nun an, sagt Roy Oppenheim: »Ein geplantes Besucherzentrum greift als architektonisch attraktiver Bau leitmotivisch das Thema der Doppeltür auf und lädt die Besucher mit einer multimedialen Inszenierung zu einer Zeitreise ein.« Der Besucher erfahre »aus jeweils unterschiedlicher Sicht hautnah mehr über den Alltag und das Miteinander von Juden und Christen im Surbtal«.
Auf verschiedene Arten sollen die Besucher multimedial über die jüdische Geschichte der Schweiz informiert werden, ebenso wie über jüdisches Leben im Allgemeinen. Nutzen will man dabei die Tatsache, dass es in den beiden Dörfern Lengnau und Endingen durchaus auch eine jüdische Infrastruktur gab, zum Beispiel ein rituelles Tauchbad, eine Mikwe, und sogar eine Mazzen-Bäckerei.
Kosten Um das Projekt »Doppeltür« voranzutreiben, wurde im Januar ein gleichnamiger Verein gegründet. Dieser versucht, das Andenken und das Erbe jüdischen Lebens in den beiden Dörfern weiterzutragen. Zu den Schirmherren gehört unter anderem die frühere Bundesrätin Ruth Dreifuss. Rund 16 Millionen Franken soll das Ganze kosten. Der Kanton Aargau hat bereits seine Unterstützung zugesagt. Außerdem wolle man um private Sponsoren werben, sagt Roy Oppenheim.
»Rund 16 Millionen Franken – das klingt nach viel Geld«, sagt Oppenheim. Doch das sei es eigentlich nicht. Er verweist auf das »Haus der Gegenwart« im nahen Lenzburg, ein Projekt vergleichbarer Größe. Dessen Initiatoren hätten beispielsweise knapp 24 Millionen Franken gesammelt.
Im Rahmen des Projekts soll auch eine Publikation zum Thema »Jüdisches Leben im Aargau« herausgebracht werden. Daran arbeiten 25 Autoren mit. Doch wolle sich das Projekt »Doppeltür« keinesfalls als Konkurrenz zum bestehenden Jüdischen Museum in Basel verstehen, sagt Oppenheim. Vielmehr sehe man sich als Ergänzung. »Im Unterschied zum Jüdischen Museum soll die ›Doppeltür‹ kein traditionelles Museum, sondern ein Ort der Vermittlung werden.«
Oppenheim spricht euphorisch sogar von einem »Jahrhundertwurf«. Aus seiner Sicht gibt es in Europa kein vergleichbares Projekt. »Mit Ausnahme einzelner eher kleiner Häuser haben wir hierzulande keine Institution, die das Thema mit modernen Methoden aufarbeitet und vermittelt – vor allem für jüngere Menschen, die in unserem Land wenig über das Thema wissen.« Mit dem Projekt »Doppeltür« biete sich die Chance, etwas in der Schweiz Einmaliges aufzubauen, das es andernorts nicht gebe, sagt Oppenheim.
www.doppeltuer.ch