Mehr als 32.000 Menschen mit sefardischen Wurzeln haben seit 2015 die portugiesische Staatsbürgerschaft erhalten. Damals wurde das Staatsangehörigkeitsgesetz geändert, um es Nachfahren sefardischer Juden zu ermöglichen, Bürger des Landes zu werden, aus denen einst ihre Vorfahren vertrieben wurden.
Antragsteller müssen sich dafür von den jüdischen Gemeinden der Hauptstadt Lissabon und der nordportugiesischen Stadt Porto die sefardische Abstammung bestätigen lassen.
kritik Allerdings stößt dieses vereinfachte Verfahren in Portugal schon seit Längerem auf Kritik. Die sozialistische Regierungspartei hatte 2020 vorgeschlagen, das Gesetz dahingehend zu ändern, dass Antragsteller mindestens zwei Jahre im Land wohnen müssen. Dieser Vorschlag wurde aber nach massiven Protesten wieder zurückgezogen.
Kritiker des Staatsangehörigkeitsgesetzes werden sich durch einen aktuellen Fall in ihrer Position bestätigt sehen: Wie im vergangenen Jahr bekannt wurde, hatte auch der russische Oligarch Roman Abramovich einen Antrag gestellt. Bis dato war über die Herkunft seiner Familie von der Iberischen Halbinsel nichts bekannt. Aber die jüdische Gemeinde in Porto stellte ihm das entsprechende Zertifikat über die sefardische Abstammung aus, und er erhielt darauf im April 2021 die portugiesische Staatsangehörigkeit.
Abramovich ist nicht unumstritten, weshalb auch portugiesische Medien sich der Sache angenommen haben. Die Diskussion hatte am 18. Dezember mit einem Artikel in der größten Tageszeitung »Público« begonnen.
wikipedia-eintrag Darin wurde berichtet, dass Hugo Miguel Vaz, ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in Porto und Kurator des neu eröffneten Holocaust-Museums der Gemeinde, mehrfach den Wikipedia-Eintrag zu Abramovich im Hinblick auf seine sefardischen Wurzeln angepasst habe. Heikel daran ist, dass Vaz in der Kommission sitzt, die für die Zertifizierung zuständig ist, und dass der Oligarch zu den Geldgebern des dortigen Museums zählt.
Eine Woche später meldete sich der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny per Twitter zu Wort. Er warf Portugal vor, dem vermeintlichen Putin-Vertrauten für ein paar Koffer Schmiergeld die Staatsangehörigkeit eines EU-Landes verliehen zu haben.
Abramovich ist nicht unumstritten, weshalb auch portugiesische Medien sich der Sache angenommen haben.
Diese Anschuldigungen hatten in Portugal hohe Wellen geschlagen. Sogar der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva schaltete sich in die Debatte ein und verteidigte das Staatsangehörigkeitsverfahren. Er wies die Vorwürfe Nawalnys als unbegründet zurück und betonte, dass für Abramovich dieselben Standards gelten wie für Tausende Antragsteller vor ihm.
anschuldigungen Allerdings sahen sich die Behörden des Landes durch die Veröffentlichung zum Handeln gezwungen. So haben die Anschuldigungen dazu geführt, dass das für die Staatsbürgerschaft zuständige Institut für Register- und Notariatswesen eine Untersuchung des Verfahrens veranlasst hat. Das Ergebnis soll im Februar veröffentlicht werden.
Unabhängig davon hat in der vergangenen Woche auch die portugiesische Generalstaatsanwaltschaft in Lissabon eine Untersuchung der Zertifizierung durch die jüdische Gemeinde in Porto eingeleitet. Die Gemeinde selbst hat unmittelbar darauf reagiert. In einer Mitteilung ließ Rabbiner Daniel Litvak verlauten, dass die Gemeinde dieses Vorgehen unterstütze.
»Wir sehen den Untersuchungen positiv entgegen, da durch sie unbegründete Behauptungen widerlegt werden können – über vermeintliche Freimaurer-Tricks und undurchsichtige Machenschaften, bei denen es angeblich um Geldkoffer geht.«
Es werde sich zeigen, »dass es sich um ein Staatsangehörigkeitsverfahren handelt, bei dem alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt wurden und lediglich zwei Zahlungen von 250 Euro getätigt wurden: zum einen die offizielle Registrierungsgebühr und zum anderen die Bearbeitungsgebühr der Gemeinde«, so Rabbiner Litvak in seiner Stellungnahme.
Es bleibt abzuwarten, ob die Untersuchungen wirklich neue Erkenntnisse zutage fördern oder das Vorgehen der Gemeinde bestätigen. In den sozialen Medien Portugals zeigt sich bereits jetzt, dass der Fall Abramovich dem Staatsangehörigkeitsgesetz großen Schaden zugefügt und dem Antisemitismus Vorschub geleistet hat.