Nach wochenlangen Spekulationen über einen angeblichen Boykott israelischer Waren meldete das luxemburgische Nachrichtenmagazin RTL.lu vergangenen Donnerstag: »Die größte Supermarktkette im Land, Cactus, verkauft kein Obst und Gemüse aus Israel mehr.« Damit gab es die Propaganda des pro-palästinensischen »Comité pour une paix juste aux proche Orient« (CPJPO) wieder. Der Verein hatte am Morgen auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt den Cactus-Boykott von Agrarprodukten aus dem Westjordanland als seinen Erfolg präsentiert.
Es handele sich »um eine internationale Initiative, die vor acht Jahren ins Leben gerufen wurde, sich aber nicht gegen Religionen oder Juden« richte, erklärte das größte Luxemburger Nachrichtenmagazin seinen Lesern die Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS) exakt im Wortlaut der CPJPO.
»Made in Israel« Auf Produkte aus israelischen Siedlungen (»colonies israéliennes«) solle man verzichten, weil diese illegal seien, hatte Nathalie Oberweis vom CPJPO bei der Pressekonferenz erklärt. Der Verein wirft Israel »Etikettenschwindel« vor. Der Konsument werde oft getäuscht, weil auf den Produkten »Made in Israel« stehe, warnte CPJPO-Präsident Michel Legrand. Tatsächlich seien die Produkte aber oft »Made in Palestine«, denn sie kämen aus den »besetzten palästinensischen Gebieten«.
Bereits vor drei Jahren begann das CPJPO, das je zur Hälfte durch luxemburgische Entwicklungshilfegelder und durch die (auch in Deutschland tätige) Anna-Lindh-Stiftung finanziert wird, mit der Vorbereitung des Boykotts. Man stellte Listen mit israelischen Produkten auf, schrieb Briefe und verteilte Flyer sowie T-Shirts mit Aufdrucken wie »Israel besetzt Palästina. Ich weigere mich, Komplize zu sein«. Teils sei die Arbeit ignoriert worden, erklärte das CPJPO. Die beiden Handelsketten NATURATA und Cactus – mit rund 4000 Beschäftigten der drittgrößte Arbeitgeber Luxemburgs – hätten aber mitgemacht.
»Hätten« – die Betonung liegt auf dem Konjunktiv, denn die Erklärung des pro-palästinensischen Vereins rund um den (vermeintlichen) Boykott wurde von der Cactus-Geschäftsführung nie offiziell bestätigt. Das CPJPO bezog sich lediglich auf einen Brief der Direktion, der nie publik gemacht wurde. Die Geschäftsführung selbst verweigerte in den vergangenen Wochen jede Stellungnahme. Mitglieder der jüdischen Gemeinde sandten Beschwerdebriefe an die Cactus-Leitung und forderten Aufklärung, doch man antwortete ihnen nicht.
Lebensmittel Wie sieht es in den Cactus-Filialen aus? »Nein, Madame, wir verkaufen keine israelischen Produkte mehr, das konnte man doch heute Morgen im Radio hören«, versichert ein Mitarbeiter in einer Filiale in Luxemburg-Bonneweg. Und tatsächlich: Ein Blick in die Kühlregale des Obst- und Gemüsesortiments zeigt Zucchinis aus den Niederlanden, Tomaten aus Belgien und Kürbisse aus Zypern – keine Spur von israelischen Produkten.
Lediglich SodaStream-Maschinen würden – zur großen Empörung von CPJPO – noch immer verkauft, meldeten viele Luxemburger Medien. Das linksgerichtete »Tageblatt« bildete am Freitag unter der Headline »Sagt uns, woher ihr kommt« einen Warenkorb ab und gab wie RTL.lu die Propaganda des CPJPO wieder.
Doch die liberale Wochenzeitung »Paperjam« und die Tageszeitung »Luxemburger Wort« meldeten indes, dass zwischen der Cactus-Geschäftsführung und dem israelischen Honorarkonsul Daniel Schneider am Donnerstagmittag ein »konstruktives Treffen« stattgefunden habe – »mit positivem Ausgang«, wie Schneider auch im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen versicherte. Cactus sei nicht an einer Polemik oder an Politik interessiert, betonte Schneider.
Blamage So scheint sich das CPJPO in seinem Bemühen, Israel als bösen Besatzerstaat hinzustellen, nur öffentlich blamiert zu haben. »Statt Brücken zu bauen, unternimmt dieser Verein nur Aktionen gegen Israel. Da liegt das große Problem«, sagt der Präsident der Jüdischen Gemeinde in Esch-sur-Alzette, Robert Wolf.
In der jüdischen Gemeinschaft befürchten viele, der Wirbel um den Cactus-Boykott könnte nur ein Vorbote weiterer Maßnahmen gegen Israel gewesen sein. Denn wiederholt warnte Luxemburgs pro-palästinensischer Außenminister Jean Asselborn in den Medien, wie erst vor wenigen Tagen bei seinem Besuch in Jerusalem, vor »Etikettenschwindel« bei Produkten aus »den besetzen Gebieten« und pocht auf die Einhaltung von EU-Richtlinien.