Es war der Titel eines Berichts im Nachrichtenmagazin »profil«, der um die Jahreswende die Wogen in der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien hoch gehen ließ. »Entmündigung der Gemeinde« überschrieb das Blatt einen Beitrag, der zu ergründen versuchte, warum die IKG es abgelehnt hatte, ein Inserat für das alljährliche Jüdische Filmfestival abzudrucken.
IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer verwies laut »profil« auf Filme, die die religiösen Gefühle von Gemeindemitgliedern verletzen könnten. Sein Fazit: Es gebe für das Festival, dessen Führung bereits in den vergangenen Jahren nicht mit der IKG harmonierte, indem es zum Beispiel eine ganze Reihe israelkritischer Streifen zeigte, nur zwei Wege. Entweder Festivalchef Frédéric Kaczek »spricht die Filme vorher mit uns ab, dann sind wir bereit, ihn zu unterstützen – oder er tut das eben nicht«. Man sei kein jüdischer Kegelverein, sondern eine Religionsgemeinschaft. »Im Wiener Pfarrblatt werden Sie auch keinen Beitrag finden, der sich über die Taufe lustig macht.«
Modern-orthodox Gezeigt wurden bei dem Filmfest unter anderen die Streifen Fucking Different Tel Aviv, eine Arbeit von homosexuellen Filmemachern, sowie Brit der modern-orthodoxen israelischen Regisseurin Nurit Jacobs Yinon, die sich darin mit den Gefühlen orthodoxer Frauen bei der Beschneidung ihrer Söhne auseinandersetzt.
Manche Gemeindemitglieder empfanden vor allem die Ablehnung des Films über schwule und lesbische Lebenswelten als intolerant. Die Filmemacherin Ruth Beckermann, die Politologin Evelyn Klein und der Schriftsteller Doron Rabinovici verfassten eine Resolution, in der sie sich »von der intoleranten Haltung gegenüber Homosexuellen sowie Filmschaffenden, die sich sozialen Themen der israelischen Gesellschaft widmen«, distanzierten. Es sei nicht Sache der Gemeindevertretung, sich »zum fundamentalistischen Hüter religiöser Gefühle aufzuschwingen«.
Diesen Standpunkt verteidigten Rabinovici und Beckermann am Montag bei einer Podiumsdiskussion. IKG-Präsident Ariel Muzicant betonte dabei, die Gemeinde wolle weder als Zensor auftreten noch etwas unterstützen, was die Orthodoxie vor den Kopf stoßen könne. Ihm gehe es nur um eines: die Einheitsgemeinde zu verteidigen. Das heiße gegenseitigen Respekt. Dass sich die Orthodoxie durch ein Inserat in der Gemeindezeitung in ihren religiösen Gefühlen verletzt gefühlt hätte, wies ein Vertreter zurück. Allerdings wären gewisse Worte – etwa die Bewerbung eines Films mit dem Attribut »sexy« – nicht passend, vor allem, wenn auch Kinder das Blatt lesen. Fazit am Ende der Diskussion: Es gibt keinen Konflikt zwischen Orthodoxie und Nicht-Religiösen, und mit der Einheitsgemeinde sind alle zufrieden. Aber die Differenzen zwischen IKG und Jüdischem Filmfestival werden wohl weiter anhalten.