Polen/Israel

Distanzierung von »Judasgericht« 

Unter dem anfeuernden Johlen zahlreicher Schaulustiger wird die auf dem Boden liegende »Judas«-Puppe mit eigens vorbereiteten langen Stöcken geschlagen (April 2019). Foto: Getty Images

Israel hat am Mittwoch die offizielle polnische Reaktion auf ein antisemitisches »Judasgericht« in der südostpolnischen Kleinstadt Pruchnik gelobt. »Wir bedauern den antisemitischen Vorfall in dem Dorf Pruchnik im Rahmen des Osterfests, aber wir sind ermutigt von der entschlossenen Reaktion der polnischen Kirche, der Behörden und ranghoher Mitglieder der polnischen Regierung«, teilte das Außenministerium in Jerusalem mit.

Der Vorfall am Karfreitag hatte im In- und Ausland scharfe Kritik auf sich gezogen. Am Sonntag hatten über mehrere Internetportale verbreitete Videoaufnahmen der Veranstaltung gezeigt, wie eine mit den Worten »Judas 2019« und »Verräter« beschriftete Strohpuppe in einem rituellen »Judasgericht« zunächst auf einem Beleuchtungsmasten aufgehängt und anschließend nach einem vorgegebenen Zeremoniell weiter geschmäht wird.

Kirche Die katholische Kirche distanzierte sich am Montag von dem  »Karfreitagsbrauch«. Laut Medienberichten sagte der polnische Bischof Rafal Markowski, Vorsitzender des Komitees der katholischen Kirche für den Dialog mit dem Judentum, die katholische Kirche werde »niemals Manifestationen der Verachtung gegenüber Angehörigen irgendeiner Nation tolerieren, das jüdische Volk eingeschlossen«.

Auch der World Jewish Congress (WJC) übte scharfe Kritik an dem »Judasgericht«.

Auch der World Jewish Congress (WJC) übte scharfe Kritik an dem »Judasgericht«. Zuvor hatte der leitende WJC-Repräsentant Robert Singer laut einer Mitteilung erklärt, die Juden seien »zutiefst verstört über dieses grässliche Wiederaufleben von mittelalterlichem Antisemitismus, der zu unvorstellbarer Gewalt und Leiden geführt hat«

Efraim Zuroff, Direktor des Simon Wiesenthal Center in Jerusalem, verurteilte den antisemitischen »Karfreitagsbrauch« ebenfalls scharf. »Ein Mob schlägt auf eine Judas-Figur ein, die einen orthodoxen Juden darstellen soll, und verbrennt sie schließlich. Die Bilder zeigen: In Pruchnik wird eine zukünftige Generation von Antisemiten herangezogen«, sagte Zuroff. »Der Vorfall erklärt, warum 200.000 Juden während des Holocaust von polnischen Menschen ermordet wurden.«

In einer weiteren Stellungnahme lobte Zuroff den polnischen Bischof Rafal Markowski und seine Verurteilung des antisemitischen Osterrituals in Pruchnik.

Unter dem anfeuernden Johlen zahlreicher Schaulustiger wurde die Puppe durch die Straßen gezerrt, mit Stöcken geschlagen und schließlich geköpft.

KLISCHEES Das Aussehen der »Judas«-Figur entsprach mit krummer Nase, orthodoxer Kopfbedeckung und Haartracht der klischeehaften Judendarstellung, die auch in nationalsozialistischer Zeit von Antisemiten verwendet wurde. Unter dem anfeuernden Johlen zahlreicher Schaulustiger wird diese auf dem Boden liegende »Judas«-Puppe durch Straßen gezerrt, von Erwachsenen und Kindern mit eigens vorbereiteten langen Stöcken geschlagen und schließlich geköpft, angezündet und brennend in einen Bach geworfen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Nach Informationen der »Gazeta Wyborcza« und der Regionalzeitung »Ekspres Jaroslawski«, die die Veranstaltung filmte, soll es sich bei dem »Judasgericht« um einen schon im 18. Jahrhundert verbreiteten Brauch handeln. Dabei werde Judas für seinen in der Bibel beschriebenen Verrat an Jesus »bestraft«.

Wegen seiner aggressiv antisemitischen Ausrichtung habe die katholische Kirche den Brauch inzwischen untersagt, berichtete die Regionalzeitung. Ihr Reporter habe nicht herausfinden können, von wem die Initiative stammte, die Veranstaltung zehn Jahre nach der letzten Durchführung 2009 nun wiederaufleben zu lassen.  ja/dpa

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

Vereinigte Arabische Emirate

EU kritisieren Todesstrafe für Mörder von Chabad-Rabbiner

Ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebender Rabbiner wurde verschleppt und ermordet. Ein Gericht verurteilte drei Täter zum Tod. Der Auswärtige Dienst der EU äußert Bedauern

 10.04.2025

Argentinien

Amia-Anschlag in Buenos Aires soll vor Gericht kommen

Hinter dem Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum sollen die Hisbollah und Irans Regierung stecken. Nach vielen Jahren will die Anklage nun zehn Verdächtigen in Abwesenheit den Prozess machen

 08.04.2025

"Marsch der Lebenden"

Koschere Speisen für Besucher der Gedenkstätte Auschwitz

Wer religiös ist und heute die Gedenkstätte in Auschwitz besucht, soll in Kürze leichter Speisevorschriften einhalten können

von Leticia Witte  08.04.2025

Großbritannien / Belgien

Gaza-Krieg: Britische Anwälte gehen gegen IDF-Soldaten vor

In London wurde gegen zehn IDF-Soldaten Anzeige wegen angeblicher Kriegsverbrechen erstattet. Ähnliche Fälle gibt es auch in anderen Ländern

von Michael Thaidigsmann  07.04.2025

Israel

Zwei britische Abgeordnete bei Einreise abgewiesen

Der britische Außenminister David Lammy spricht von einem inakzeptablen Vorgehen

 06.04.2025