Auf dem internationalen Parkett sind schon viele ins Schleudern geraten. Die Glätte dieses besonderen Untergrundes hat nun auch der Präsident des jüdischen Dachverbandes in Frankreich (Conseil Représentatif des Institutions juives de France, CRIF), Richard Prasquier, zu spüren bekommen. Ende September traf er sich in Paris mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, um über die Nahost-Friedensgespräche zu debattieren. Am Tag zuvor hatte eine Gesprächsrunde mit Abbas stattgefunden, an der auch der Philosoph Alain Finkielkraut und der ehemalige Pariser Großrabbiner René Sirat teilnahmen.
Der tatsächliche Nutzen der jeweils einstündigen Begegnungen, bei denen es wohl vornehmlich um die Zurschaustellung weltmännischer Attitüde ging, war allerdings recht gering: Zu sehr dominierten im Anschluss diplomatische Floskeln wie die gegenseitige Bezeugung »tiefen Respekts«. Dennoch schlugen die Gespräche hohe Wellen in der jüdischen Gemeinde und bei palästinensischen Gruppen.
Treulos Kommentator Guy Rozanowicz etwa kritisierte im jüdischen Radio J, dass das strömungsübergreifende CRIF sich durch das Treffen, das Abbas helfe, seine Positionen aufzuwerten, zu sehr in eine Richtung gelehnt habe. Darüber hinaus echauffierte sich Rozanowicz, dass manche Gesprächspartner den Anspruch suggerierten, die französischen Juden zu vertreten: »Hat die jüdische Gemeinde in Frankreich keine richtigen Repräsentanten mehr?« Dass beim medienwirksamen Auftritt in Paris »Israelkritiker« wie Finkielkraut oder Radio- und Fernsehmacher Jean-Pierre Elkabbach im Rampenlicht standen, empfanden einige Kritiker als öffentliche Treulosigkeit gegenüber dem bedrängten jüdischen Staat.
Der Religionsforscher Shmuel Trigano legte mit einer Falschinformation nach: Abbas habe sich gegen jüdische Soldaten in einer Friedenstruppe in Palästina verwahrt und sich damit zur Persona non grata gemacht. Das Treffen mit ihm sei ein »Affront gegen die Juden Frankreichs«. Nun sah sich Prasquier gezwungen zu reagieren. Er unterstrich, wie sehr er dem Palästinenserpräsidenten im Gespräch auf den Zahn gefühlt und auf den jüdischen Charakter Israels und Jerusalems gepocht habe.
Rechtfertigung Die einige Tage später auf der CRIF-Homepage veröffentlichte Meldung, die Hamas habe Angriffe auf führende Mitglieder der Fatah angekündigt, lässt sich im Kontext dieser Rechtfertigungsbemühungen lesen. Unter der Hand verstärken sie, wovor Rozanowicz und Co. am meisten graut: die Aufwertung von Abbas zum verdienten und sauberen Staatsmann.
Auch unter palästinensischen Aktivisten haben die beiden Treffen für Aufruhr gesorgt. So rief eine Gruppe zur Protestkundgebung gegen die Begegnung auf, mit der Abbas seine Kollaboration mit »den Zionisten« unter Beweis stelle. Eine andere Organisation ätzte, der Palästinenserführer habe das Gespräch mit dem CRIF einer Beratung mit pro-palästinensischen Vereinigungen vorgezogen.
Diese Reproduktion der weltpolitischen Streitigkeiten im Pariser Westentaschenformat könnte dem Betrachter eigentlich nur ein Schmunzeln entlocken. Bedenkt man allerdings, dass sich Ende der 80er-Jahre ähnliche Auseinandersetzungen über das Verhältnis des damaligen CRIF-Präsidenten Théo Klein zur PLO zutrugen, gibt es jedoch eher Anlass zur Bedrückung: Zu deutlich wird, wie wenig sich seitdem getan hat.