Nach den Vorfällen um den Quenelle-Gruß, der als antisemitische Geste gilt, geht das französische Innenministerium gegen dessen Erfinder, den Humoristen Dieudonné M’bala M’bala, vor und versucht, seine Auftritte zu unterbinden. Immer mehr Antisemiten und Rassisten eignen sich den Gruß an, bei dem sie den rechten Arm ausstrecken und den linken Arm darüber verschränken. Im Internet kursieren Fotos von Personen, die die Quenelle vor jüdischen Einrichtungen wie der Ohr-Torah-Schule in Toulouse zeigen, wo ein islamistischer Terrorist im März 2012 drei Kinder und einen Rabbiner ermordete.
Der französische Fußballspieler Nicolas Anelka löste vor zwei Wochen einen Skandal aus, als er die Quenelle während eines Spiels in Großbritannien zeigte. Frankreichs Juden sind äußerst besorgt darüber, dass sich das Zeigen dieses Nazigrußes so rasant im Land ausbreitet.
Tournee Diese Woche soll Dieudonnés Tournee durch 27 Städte in ganz Frankreich beginnen. Innenminister Manuel Valls verschickte am Montag ein Rundschreiben an die Präfekten. Er forderte sie auf, zu prüfen, ob die Auftritte des Komikers wegen »Störung der öffentlichen Ordnung« abgesagt werden können. Diese juristische Finte ist offenbar die einzige Möglichkeit, die antisemitische Show zu unterbinden, da die Meinungs- und Versammlungsfreiheit den umstrittenen Humoristen schützt.
Als Erste erteilten die Bürgermeister von Bordeaux und Nantes dem Komiker Spielverbot. Es folgten die Städte Marseille und Tour. Dieudonné wehrte sich dagegen und rief das Verwaltungsgericht in Nantes an. Die Richter verfügten am Donnerstag, ein Verbot der Show sei rechtswidrig. Dieudonnés Anwalt Jacques Verdier nannte die gerichtliche Entscheidung einen »totalen Sieg«. Wenige Stunden später jedoch hob Frankreichs Oberster Gerichtshof das Urteil von Nantes auf, denn die Show gefährde die öffentliche Ordnung, so die Begründung.
Innenminister Valls nennt Dieudonnés Aktionen »zutiefst antijüdisch«. Dies beweist auch das Lied »Shoahnanas«, mit dem der Komiker sich über den Holocaust lustig macht. Die Tageszeitung Le Monde berichtete von einem Auftritt Dieudonnés in dessen »Théâtre de la Main d’Or« vergangene Woche in Paris: »In den 75 Minuten, die der Auftritt dauert, vergehen keine fünf Minuten ohne eine Beleidigung von Juden«. Zu ihnen gehören auch bekannte Persönlichkeiten wie der Sänger Patrick Bruel sowie die Humoristen Élie Semoun und Gad Elmaleh.
Protestmarsch Der Publizist Bernard-Henri Lévy sagte: »Es gibt keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen der Arbeit eines echten Humoristen, dessen Meinungsfreiheit und auch Freiheit zur Provokation ein heiliges Gut sind, und einem Agitator mit neonazistischen Zügen, der nicht Meinungen äußert, sondern Delikte verübt.« Der Anwalt Arno Klarsfeld und seine Eltern von der Organisation »Söhne und Töchter deportierter Juden Frankreichs« riefen zu einem Protestmarsch gegen Dieudonné auf.
Auch mehrere antirassistische Organisationen wie die Liga gegen Rassismus (Licra) oder SOS Racisme haben angekündigt, juristisch gegen Dieudonné und den Quenelle-Gruß vorgehen zu wollen. Verfahren haben wohl vor allem dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Geste in der Nähe von jüdischen Einrichtungen oder Denkmälern gezeigt wird. SOS Racisme kündigte an, in diesem Fall systematisch Anzeige zu erstatten. Die Liga gegen Rassismus gab bekannt, dass sie mehrere Personen anzeigen will, die sich mit dem Quenelle-Gruß vor die Synagoge von Bordeaux gestellt hatten. Sie schließt sich dabei mit der jüdischen Gemeinde des Départements Gironde zusammen.
Schon seit zehn Jahren treibt der aus Kamerun stammende Kabarettist seine üblen Späße auf seiner Webseite dieudosphere.com und auf Bühnen – mit Erfolg. Seine Facebook-Seite verzeichnet bisher rund 470.000 Likes.
Geldspenden Der rassistische Provokateur narrt auch die Justiz: Insgesamt sieben Mal ist Dieudonné seit 2006 von französischen Gerichten wegen »Anstiftung zum Rassenhass« verurteilt worden. Er schuldet der Justiz noch 65.000 Euro Geldstrafe und inszeniert sich als eine Art Märtyrer. Mehrmals bat er seine Fans um Geldspenden. Medien berichten, er sei offiziell insolvent, da seine Produktionsfirma zur Hälfte seiner Ehefrau und zur anderen Hälfte seiner Mutter gehöre. Das Unternehmen verzeichnete im Jahr 2012 Einnahmen von rund 1,8 Millionen Euro und fuhr einen Gewinn von etwa 230.000 Euro ein.