Wer einmal das Glück hatte, mit Thomas Buergenthal zu sprechen, ihm zuzuhören, ihm Fragen zu seinem ebenso schicksalshaften wie bewegten Leben zu stellen, der wird diesen besonderen Menschen nicht vergessen. Dies geht aus Aussagen von Weggefährten hervor. Nun wurde bekannt, dass Thomas Buergenthal Anfang der Woche im Alter von 89 Jahren in Miami gestorben ist. Als Kind überlebte er Auschwitz, als Jugendlicher wanderte er in die Vereinigten Staaten von Amerika aus, wo er Jurist wurde.
Rund ein Jahr nach der Machtübernahme der Nazis, am 11. Mai 1934, wurde Thomas Buergenthal in der tschechischen Gemeinde Ľubochňa als Sohn deutsch-polnischer Juden geboren. Seine Kindheit war aufgrund der Nazi-Herrschaft kurz, sie endete abrupt, als er nach einem Aufenthalt im polnischen Ghetto Kielce nach Auschwitz deportiert wurde.
Im Jahr 1945 überlebte Buergenthal nach der Räumung des Vernichtungslagers als eines von wenigen Kindern einen Todesmarsch von dort nach Sachsenhausen. Er war gerade einmal elf Jahre alt. Dann kam die Befreiung.
Wiedersehen in Göttingen Seine Mutter wurde ins KZ Ravensbrück deportiert und überlebte ebenfalls einen Todesmarsch. Thomas Buergenthal traf sie erst 1946 in Göttingen wieder. Sein Vater starb kurz vor der Befreiung im KZ Flossenbürg.
Sechs Jahre nach der Schoa ging Buergenthal im Alter von 17 Jahren nach Amerika. Am Bethany College im Bundesstaat West Virginia studierte er Jura, bevor er an der New York University Law School sowie an der Harvard Law School weitere Abschlüsse machte.
Später, als Experte für Völkerrecht und Menschenrechte, erhielt der Jurist zahlreiche Ehrendiplome von ebenso vielen Hochschulen in den USA.
Jahrzehnte lang war er als Juraprofessor tätig. Er unterrichtete unter anderem an der American University, der Emory University, der George Washington University und der University of Texas. Von 1985 bis 1987 war Thomas Buergenthal Richter am Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, in den 90er-Jahren Mitglied der Wahrheitskommission für El Salvador und des UN-Menschenrechtsausschusses, bevor er zur Jahrtausendwende Richter am Internationalen Gerichtshof (ICJ) in Den Haag wurde.
A Lucky Child Als Autor und Co-Autor veröffentlichte Buergenthal mehrere Bücher, die sich mit den Menschenrechten, dem internationalen Recht sowie dem Luftfahrtrecht befassten.
Dann erschien seine Autobiografie »A Lucky Child: A Memoir of Surviving Auschwitz as a Young Boy«, die auch in anderen Sprachen verfügbar ist, inklusive Deutsch (»Ein Glückskind. Wie ein kleiner Junge zwei Ghettos, Auschwitz und den Todesmarsch überlebte und ein zweites Leben fand«).
Auch in der Bundesrepublik erhielt Thomas Buergenthal Ehrendoktorwürden, nämlich von der Juristischen Fakultät Heidelberg und der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen. Hinzu kamen zahlreiche weitere Ehrungen, darunter der Gruber Justice Prize sowie der Elie Wiesel Award. Im Jahr 2017 wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. In seiner Anwesenheit wurde 2008 das Göttinger Haus der Stadtbibliothek nach Buergenthal benannt.
Trump und Judenhass Buergenthal machte sich auch Gedanken über Politik. In einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen im Jahr 2018 sagte er, eine Wiederwahl Donald Trumps müsse verhindert werden. Zwei Wochen nach dem Massaker von Pittsburgh, bei dem in der Tree of Life-Synagoge 11 Gemeindemitglieder ermordet worden waren, erklärte Thomas Buergenthal, Antisemitismus habe es in den Vereinigten Staaten immer gegeben.
»Viele Jahre war es beispielsweise sehr schwierig für jüdische Professoren, von den führenden Universitäten angestellt zu werden. Es war kompliziert für Juden, an Medizinhochschulen angenommen zu werden. Von solchen Geschichten gibt es eine Menge, und ich habe auch eigene Erfahrungen damit machen müssen.«
Beim ICJ beschäftigte er sich auch mit Israel. Unter allen dort tätigen Richtern war Buergenthal der einzige, der 2004 gegen ein Urteil stimmte, das die israelischen Sperranlagen im Westjordanland als illegal bezeichnete.
Thomas Buergenthal, einer der jüngsten Auschwitz-Überlebenden, das »Glückskind«, das zum Vordenker und Richter wurde, wird unvergessen bleiben.