Der 15. September 2020 hat Michal Divons Leben verändert. An jenem Tag wurde vor dem Weißen Haus in Washington das »Abraham-Abkommen« unterzeichnet – ein Vertragswerk, das den Frieden und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) besiegelte. »Als ich im Radio hörte, dass das Abraham-Abkommen tatsächlich unterzeichnet wurde, konnte ich meinen Ohren kaum trauen«, erinnert sich Michal Divon. »Mein ganzes Leben lang habe ich auf Frieden zwischen unseren Ländern gewartet.«
Die israelische Journalistin war zu dem Zeitpunkt bei dem Fernsehnetzwerk »News 12« in New York beschäftigt und berichtete über Nachrichten und Geschehnisse aus der Region. Der Friedensschluss in Nahost veränderte die Perspektive der 31-Jährigen von einem Tag auf den anderen. »Mir war sofort klar, dass ich über das Abkommen und die Auswirkungen berichten muss«, sagt Divon. »Es war wirklich das Einzige, was mich von diesem Moment an interessierte.«
Das »Abraham-Abkommen« veränderte ihr Leben.
Kurz entschlossen recherchierte sie Kontakte in der Region und startete eine eigene Interview-Videoreihe auf ihrer Website und auf YouTube. Über das Friedensabkommen und die Folgen sprach die engagierte Reporterin etwa mit der stellvertretenden Bürgermeisterin von Jerusalem, Fleur Hassan-Nahoum, und mit dem Deputy Managing Director des Oasis-Investment-Projekts in Dubai, Thani AlShirawi.
Nach einem Interview mit dem Oberrabbiner des Jüdischen Rates der Emirate, Oberrabbiner Yehuda Sarna, lud dieser Michal Davon nach Dubai ein, um mit ihr und der Gemeinde vor Ort Sukkot zu feiern. Diese Chance wollte sie sich nicht entgehen lassen. Trotz Corona-Beschränkungen und Einreiseauflagen stieg sie in New York in den Flieger in Richtung Dubai. Die Journalistin erinnert sich noch gut an ihren ersten Eindruck, den sie nach der Landung von der Metropole am Persischen Golf hatte. »Dubai ist ein einzigartiger Ort voller Diversität und Vielfalt. Vom ersten Moment an wusste ich, dass ich hier gern bleiben möchte.«
»KHALEEJ TIMES« Was als spontaner Besuch begann, sollte für Michal Divon sodann tatsächlich zu einem neuen Kapitel in ihrem beruflichen und privaten Leben werden. Da sie während ihres Sukkot-Besuchs als freie Reporterin für verschiedene israelische Nachrichtenagenturen aus den VAE berichtete, wurde die älteste emiratische Tageszeitung, die »Khaleej Times« – sie berichtet seit 1978 in englischer Sprache – auf die Journalistin aufmerksam.
Als erste jüdisch-israelische Journalistin überhaupt schrieb Michal Divon einen Gastbeitrag für die Zeitung aus Dubai über das »Abraham-Abkommen«. »Das war ein fantastisches Gefühl. Im Land gibt es ein großes Interesse an dem Friedensabkommen mit Israel«, sagt sie.
Fantastisch fanden offenbar auch die Herausgeber des Blatts ihren Beitrag. Denn Michal Divon wurde der Posten der Chefredakteurin und Produzentin der »Khaleej Times« angeboten – eine Chance, über die sie nicht lange nachdenken musste. Gemeinsam mit ihrem Mann Nadav Trenter Moser zog sie schließlich von New York nach Dubai um.
»Ich liebe mein Leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Dubai«, sagt die Journalistin. »Die emiratische Kultur ist sehr aufgeschlossen und pluralistisch.«
Wie es ist, sich in einer neuen Stadt und in einer anderen Kultur zurechtzufinden, weiß die junge Frau nur allzu gut. In Singapur in eine israelische Diplomatenfamilie geboren, wuchs Michal Divon in Sri Lanka, Äthiopien, Kanada und in verschieden Städten in Israel auf. Nach ihrem Studium der internationalen Beziehungen arbeitete sie bei dem israelischen Nachrichtensender »i24«. Später wechselte sie zu den Lokalnachrichten nach New York – bis der 15. September 2020, das »Abraham-Abkommen« und später das Angebot aus Dubai kamen.
Ihre Eltern unterstützten die Entscheidung ihrer Tochter, in die Emirate zu gehen. »Meine Eltern hatten immer schon Freunde in der ganzen Welt, auch in arabischen Ländern. Sie hatten immer auf Frieden gehofft. Ich denke, dass die Erziehung meiner Eltern mich gegenüber anderen Kulturen offen gemacht hat«, sagt Divon.
»Meine Eltern hatten schon immer Freunde in der ganzen Welt, auch in arabischen Ländern.«
Das Leben in Dubai ist ein ganz anderes als in Israel oder den USA. Das Land auf der Arabischen Halbinsel wird von Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum autoritär regiert. Auf dem weltweiten Pressefreiheitsindex von »Reporter ohne Grenzen« für 2021 landen die VAE auf Platz 131 – von insgesamt 180 gelisteten Staaten.
Die schlechte Wertung wird unter anderem damit begründet, dass es in dem Land keine unabhängige Presse gibt und Regimegegner systematisch unterdrückt werden. »Journalismus hier ist anders«, sagt Divon. Der staatliche Einfluss in der Berichterstattung sei spürbar. »Es ist nie jemand gekommen und hat mir gesagt: ›Das darfst du nicht‹ oder ›Darüber darfst du nicht schreiben‹. Aber es ist ganz anders als etwa in Israel.«
GEMEINDE Michal Divon sieht ihren Job in Dubai auch als eine Chance, die wachsende jüdische Gemeinde in den Emiraten mit aufzubauen. Schätzungen zufolge leben 500 bis 600 Juden im Land. Insgesamt gibt es in den Emiraten drei jüdische Gemeinden, zwei orthodoxe und eine egalitäre. Vor einigen Jahren wurde auch eine Talmud-Tora-Schule gegründet. Die meisten Juden vor Ort, die allesamt aus dem Ausland stammen und im Land arbeiten, sind in den beiden Emiraten Dubai und Abu Dhabi zu Hause.
Insgesamt besteht das Land am Persischen Golf aus sieben Teil-Emiraten. Neben Dubai und Abu Dhabi, den beiden größten und bevölkerungsreichsten Emiraten, bilden Sharjah, Ajman, Umm al-Quwain, Ras al-Khaimah und Fujairah die VAE.
»Die jüdische Gemeinde im Land ist sehr selbstbewusst, und ich kenne einige Leute in Israel und den USA, die Interesse haben, in die Emirate zu kommen«, sagt die Journalistin. Für sie persönlich sei es sehr reizvoll, als bewusste Jüdin in einem arabisch-muslimischen Land zu leben. »Ich möchte den Menschen in den Emiraten gern näherbringen, was jüdisches Leben und jüdische Tradition ist und ausmacht«, sagt Divon. Es gehe darum, interkulturelle Brücken zu bauen – damit der bilaterale Friedensschluss des »Abraham-Abkommens« auch mit menschlichen Beziehungen untermauert wird.