Frau Hoffman, Sie haben zusammen mit Ihrem Gesangspartner Eric Hunker vor wenigen Wochen am »March of the Living« in Auschwitz teilgenommen. Wie erinnern Sie sich an diesen Auftritt?
Es ist bereits das zweite Mal, dass wir als Duo mit dabei waren, und es war auch in diesem Jahr wieder ein sehr emotionales Ereignis. Dass Tausende Menschen durch die Tore von Auschwitz laufen, die niemals vergessen werden, was dort geschah, ist überwältigend.
Sie haben mehrere Lieder an diesem Tag gesungen. Nach welchen Kriterien haben Sie diese ausgesucht?
Wir haben natürlich eine Auswahl getroffen, die zu dem Ort und der Stimmung passen sollte. Beim »March of the Living« selbst haben wir viele Lieder von Shlomo Carlebach gesungen, aber auch »Blowing in the Wind« von Bob Dylan oder »Hallelujah« von Leonard Cohen. Besonders der Text von Dylans Song hat genau meine Gefühle ausgedrückt, die ich habe, wenn ich Konzentrations- und Vernichtungslager besuche: »Yes, ‹n’ how many deaths will it take till he knows/That too many people have died/The answer, my friend, is blowin’ in the wind« Es gibt so viele Fragen, die hochkommen, die man nicht ergründen oder begreifen kann und auf die es keine wirkliche Antwort gibt.
Sie haben nicht zum ersten Mal am »March of the Living« teilgenommen.
Nein, das war insgesamt bereits mein viertes Mal. Ich war bei der Builders of Jewish Education (BJE) Los Angeles Delegation aktiv und wollte unbedingt diese Reise machen. Die Delegation aus Los Angeles suchte nach einer Musikerin, um der Reise noch etwas mehr Bedeutung zu geben. Mehr als 200 Teenager nahmen an der Fahrt teil. Ich bin deswegen schon sooft mitgefahren, weil ich fühle, dass der »March of the Living« das bedeutendste Ereignis in meinem Jahr ist. Es ist so wichtig, der Menschen zu gedenken und sie zu ehren. Sie dürfen nie vergessen werden.
Viele Zeitzeugen sind hochbetagt. Wie wird sich das Gedenken eines Tages ohne sie gestalten?
Ich denke, dass sich die kommende Generation an die Berichte der Überlebenden erinnern und sie weitergeben muss. Es reicht eben nicht aus, darüber nur in Geschichtsbüchern zu lesen. Zahlen wie sechs oder elf Millionen sind nicht erfassbar. Deswegen müssen wir lernen, die Geschichten der Menschen, die diese dunkelsten Kapitel der Menschheit durchleiden mussten und währenddessen ums Leben gekommen sind, weiterzugeben. Einer meiner Mentorinnen vom BJE Los Angeles, Monise Neumann, sagt immer: »Wir müssen uns an 1+1+1 erinnern – an jede einzelne Person und an jede einzelne Geschichte.«
Wie haben Sie von der Geschichte Ihrer Familie erfahren?
Als ich zwölf Jahre alt war, erzählte mir Paula Kelman, eine Freundin der Familie, dass sie sich, als sie so alt war wie ich, die Haare abgeschnitten und sich geschmink hatte, um wie 18 auszusehen. Das rettete ihr das Leben. Ihre Eltern und drei ihrer Geschwister, wurden in die Vernichtungslager geschickt. Sie musste im Ghetto Tschenstochau, in der Nähe der Stadt Czestochowa, Zwangsarbeit leisten.
Wie sieht das Leben heute in Ihrer Gemeinde aus?
Ich bin in Memphis, im Bundesstaat Tennessee, aufgewachsen. Die jüdische Gemeinde hat ungefähr 10.000 Mitglieder. Wir sind sehr aktiv und haben ein enges Verhältnis. Ich reise zusammen mit Eric jedes Jahr zu vielen Gemeinden, um dort zu singen oder Workshops zu geben. Kürzlich bin ich nach Tulsa in Oklahoma gezogen. Die Gemeinde dort hat etwa 2500 Mitglieder. Immer mehr junge Juden in ihren 20ern und 30ern ziehen nach Tulsa, weil die Atmosphäre dort so gut ist und es viele Möglichkeiten gibt.
Die Fragen an die Sängerin stellte Katrin Richter.
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