Am Eingang des aschkenasischen jüdischen Friedhofs in Guanabacoa, eine halbe Autostunde von Havannas Altstadt entfernt, würdigt eine Plakette Abraham Berezniak und dessen Verdienste um die jüdische Gemeinde Kubas. Es ist auch Berezniaks Grab, auf das Friedhofsvorsteher Roberto Rodríguez del Rio Besucher als Erstes aufmerksam macht. Seit mehr als 16 Jahren kümmert er sich um die Gräber und führt Besuchergruppen über das Friedhofsgelände.
Abgebrochene Grabsteine sind zu sehen, Steinbrocken liegen auf dem Boden verstreut. In einigen Gräbern schlägt die Vegetation durch den Zement. Auf vielen Grabplatten liegen kleine Steine.
Auf den mehr als 1000 Grabsteinen sind Namen und Geburtsorte amerikanischer, deutscher, belgischer, französischer und polnischer Juden zu finden. Sie kamen ab 1898 als Soldaten der US-Interventionsstreitkräfte oder als Vertreter der großen amerikanischen und europäischen Zucker- und Tabakkonzerne nach Kuba, flohen in den 20er-Jahren vor den Pogromen in Osteuropa und später vor dem Terror der Nazis. So wie der deutsche Kommunist und Philosoph August Thalheimer, der zunächst in Frankreich Zuflucht fand, bevor ihm 1941 die Ausreise nach Kuba gelang. Am 13. September 1948 starb er in Havanna. Sein Grab ist ein unscheinbares am Rande des Friedhofs.
Sefardische Juden kamen in der Zeit des Ersten Weltkriegs und nach Zusammenbruch des Osmanischen Reichs in größerer Zahl nach Kuba.
Von dort aus blickt man auf den etwas abschüssig gelegenen, kleineren sefardischen Friedhof; dahinter nur noch auf Felder und Wiesen. Sefardische Juden kamen in der Zeit des Ersten Weltkriegs und nach Zusammenbruch des Osmanischen Reichs in größerer Zahl nach Kuba.
Guanabacoa Die Friedhöfe liegen so weit draußen, weil in Havanna Anfang des vergangenen Jahrhunderts kein Platz mehr war. In Guanabacoa jedoch habe es preiswerte Grundstücke gegeben, erzählt Rodríguez. Das Grundstück des aschkenasischen Friedhofs wurde 1906 von Mitgliedern der ersten Hebräischen Gesellschaft Kubas gekauft. Sie stammten zumeist aus den USA.
Im Jahr 1910 wurde der Friedhof eröffnet. Zvi Kaplan liegt hier, der einzige in Kuba begrabene Rabbiner; Saul Yelin, einer der Gründerväter des kubanischen Kinos, dessen Grab vor einigen Jahren Steven Spielberg besuchte; oder Martin Klein, Bomberpilot Batistas, der später zur Revolution überlief.
Als die Revolution 1959 triumphierte, lebten rund 15.000 Juden auf der Insel. Danach emigrierten viele, vor allem in die USA. Rund 90 Prozent der Juden haben in jenen Jahren Kuba verlassen. Die Religionsausübung wurde von der Kommunistischen Partei zwar nicht verboten, hatte aber Benachteiligungen zur Folge, etwa bei der Vergabe von Studienplätzen.
Als die Revolution 1959 triumphierte, lebten rund 15.000 Juden auf der Insel. Danach emigrierten viele, vor allem in die USA.
Nach der Verfassungsänderung von 1992 – der Staat erklärte sich nun laizistisch statt atheistisch – erlebte das Religiöse eine Wiederbelebung. Als die damaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Joseph Miller und Adela Dworin, die staatliche Erlaubnis erhielten, die jüdische Gemeinde zu reorganisieren, erinnerten sie sich an Abraham Berezniak, dessen Plakette heute den Friedhofseingang ziert. Denn dieser besaß die Liste aller Juden auf Kuba. Aktuell hat die Gemeinde wieder rund 1500 Mitglieder, davon 1100 in Havanna.
Zustand Der Zustand der Friedhöfe in Guanabacoa aber hat sich über die vielen Jahre immer weiter verschlechtert, da die jüdische Gemeinde nicht in der Lage war, die geschätzt benötigten 200.000 US-Dollar für die Renovierung des gesamten Geländes aufzubringen.
Vor einigen Monaten übernahm das Büro des Stadthistorikers von Havanna, Eusebio Leal Spengler, die Instandsetzung des ältesten jüdischen Friedhofs der Insel. Im Rahmen des 500-jährigen Bestehens Havannas in diesem Jahr werden derzeit zahlreiche historische Denkmäler und Bauten überall in der Hauptstadt restauriert. Wie Ingenieurin Pilar Vega vom Büro des Stadthistorikers gegenüber der kubanischen Presse erklärte, wurden bis Juni bereits rund 50 der ungefähr 1100 Gräber auf dem Friedhof restauriert. Weitere 150 sollen es dieses Jahr insgesamt sein.
»Wir sind nicht das einzige Problem, das das Land hat«, weiß Gemeindechefin Adela Dworin die Bemühungen zu würdigen. »Es gibt viele Orte, die die Aufmerksamkeit des Büros des Stadthistorikers erfordern. Deshalb sind wir für sein Interesse und seine Freundschaft zum jüdischen Volk auf ewig dankbar.«