Ukraine

»Die jüdische Gemeinde ist verängstigt«

Die ukrainische Hauptstadt Kiew Foto: Flash 90

Die Lage in der Ukraine-Krise bleibt angespannt. Yaakov Bleich, Oberrabbiner von Kiew, sagt im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen, dass man in der ukrainischen Hauptstadt weiterhin im Ungewissen sei, ob Russland die Ukraine angreifen werde. Erst habe es geheißen, Putin ziehe Truppen ab, dann sei vom Gegenteil die Rede gewesen. »Die Hauptsorge der Menschen in der jüdischen Gemeinde in Kiew ist derzeit die Angst und der damit verbundene Stress«, so Rabbi Bleich.

Außerdem sei die wirtschaftliche Situation in den vergangenen Wochen sehr schwierig gewesen. »Die Menschen leiden fürchterlich, weil es eine Art Blockade gibt.« Die Häfen im Süden seien blockiert, weil die Russen im Süden ihre Kriegsspiele spielten. »Die Menschen sind verängstigt, weil sie einfach nicht wissen, was passieren wird.«

UNSICHERHEIT Dass westliche Länder wie die USA, Großbritannien, Kanada und auch Israel dabei sind, ihre Botschaften, oder Teile davon, von Kiew nach Lwiw in die West-Ukraine zu verlegen, gebe den Ukrainern ein zusätzliches Gefühl der Unsicherheit. »Die Leute sind sehr nervös«, so Rabbi Bleich. Für Gemeindemitglieder, die das wollen, insbesondere für Kinder, würden deshalb auch Gemeindeeinrichtungen nach Westen verlegt.

Um die Sicherheit der Gemeindeeinrichtungen in Kiew sei man sehr besorgt. »Wir wollen keine Provokationen.« 2014 habe Putin Stellvertreter für Angriffe auf die Gemeinde geschickt, um die Ukrainer in ein schlechtes Licht zu rücken. »Wir wollen kein Teil davon sein, denn das ist kein jüdisches Problem«, erläutert der Rabbi. Deswegen sehe sich die Gemeinde gezwungen, mehr Geld für Sicherheit und auch für Lebensmittelhilfen aufzuwenden. Das Problem sei, dass Putin noch zwei oder drei Wochen die derzeitige Situation fortsetzen könne, während die Menschen in der Ukraine es sehr schwer hätten, unter solchen Umständen ihr Leben fortzusetzen.

HILFE Aus Israel komme leider nicht sehr viel Hilfe, sagt Bleich. Stattdessen spreche Jerusalem angeblich lieber Angriffe in Syrien mit Moskau ab. »Ich denke, das liegt daran, dass die Regierung sehr unkoordiniert und ohne richtige Führung ist.« Sie sei unerfahren und handle seiner Meinung nach nicht besonders schlau.

Ukrainische Juden, die derzeit nach Israel reisten, würden nachdrücklich gefragt, warum sie denn nicht Alija machten, also nach Israel einwandern. Sie würden laut Bleich regelrecht unter Druck gesetzt. Israel gehe es nur um seine eigenen Bürger und um die Alija. Er kenne nicht viele Gemeindemitglieder in Kiew, die derzeit wirklich Alija machen wollten.

Von westeuropäischen Juden, ihren humanitären Organisationen und jüdischen Gemeinden bekämen sie hingegen eine Menge Unterstützung – in Form von Nahrungsmittellieferungen oder anderen humanitären Hilfen. »Menschen aus jüdischen Gemeinden in der Slowakei, Italien oder Großbritannien rufen uns an und fragen, was wir brauchen.«

Man habe auch eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, damit Menschen aus Europa spenden können. Er könne nur hoffen, dass sich die Dinge in den nächsten Tagen klären und die Situation sich stabilisieren werde. »Wir hoffen, dass wir dann zu unserem Leben zurückkehren können.«

Kalifornien

»Es ist okay, nicht okay zu sein«

Wie die jüdische Gemeinschaft in Los Angeles mit den verheerenden Bränden umgeht – ein Zeugenbericht

von Jessica Donath  13.01.2025

Essay

Ritt ins Verderben

Gedanken eines österreichischen Juden zu einer möglichen Kanzlerschaft des Rechtsextremisten Herbert Kickl

von Vladimir Vertlib  12.01.2025 Aktualisiert

Frankreich

Zuflucht vor Mobbing

Weil die Zahl antisemitischer Vorfälle dramatisch steigt, nehmen immer mehr jüdische Eltern ihre Kinder von öffentlichen Schulen und schicken sie auf private. Eine Erkundung in Paris

von Florian Kappelsberger  12.01.2025

Polen

Duda würde Netanjahu nicht verhaften lassen

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Kommt der israelische Ministerpräsident trotz eines Haftbefehls gegen ihn?

 09.01.2025

Kalifornien

Synagoge fällt Feuern von Los Angeles zum Opfer

Die riesigen Brände gefährden auch jüdische Einrichtungen

 08.01.2025

USA

Welcome to Jiddishland

Nirgendwo sprechen so viele Menschen Jiddisch wie in New York. Und es werden immer mehr. Die Mameloschen hat die Grenzen der chassidischen Communitys längst überschritten

von Jörn Pissowotzki  08.01.2025

Social Media

Elon Musk hetzt wieder gegen George Soros

Der Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump bedient sich dabei erneut der Figur des Magneto aus dem Marvel-Universum

von Ralf Balke  08.01.2025

Interview

»Die FPÖ gilt als Prototyp des Rechtspopulismus«

Demokratieforscher Simon Franzmann über den Rechtsruck in Österreich

von Michael Grau und Daniel Behrendt  08.01.2025

Meinung

Der Neofaschist Herbert Kickl ist eine Gefahr für Österreich

In der FPÖ jagt ein antisemitischer »Einzelfall« den anderen, ihr Obmann will die liberale Demokratie abschaffen und könnte schon bald Kanzler sein

von Bini Guttmann  08.01.2025